Zehn (German Edition)
Vibrieren. In seiner Jacketttasche. Sein Handy. »Ingeborga!«
Und tatsächlich, die Samuraifrau hatte ihm eine Textnachricht geschrieben.
Keuchend blieb er auf der Stelle stehen und las. Menschen drängten an ihm vorbei.
»Tonight is a concert, Shonen Knife. I have an extra ticket. Call me if you want to go! Ingeborga.«
Er las die Nachricht wieder und wieder.
Dann schrieb er zurück: »Yes, please. See you later. Thank you.«
Er war sich nicht sicher, ob das gut klang. Aber nun wusste sie, dass er sie sehen wollte.
Den ganzen Tag über verschwammen die Zahlen vor seinen Augen.
Endlich war es achtzehn Uhr.
Eilig packte er seine Sachen. Er musste sich zu Hause umziehen und duschen.
Um einundzwanzig Uhr wollten sie sich in Shinjuku treffen, vor der Konzerthalle.
Sie wartete vor dem »Club Explosiva« auf ihn. Schon von Weitem konnte er ihr hellblondes Haar sehen, sie überragte all die anderen Wartenden.
Er ging mit hastigen Schritten. Beim Gehen fühlte er eine Anspannung.
Doch sein Gesicht verriet keine Aufregung oder Freude, als er sie unsicher mit einer kleinen Verbeugung begrüßte.
Ingeborga musste lachen. »Hey, Tetsuo!« Sie verbeugte sich übertrieben. »Are you ready?«
Er nickte und schaute dann zum Eingang.
Es war relativ voll. Etwa vierhundert Wartende standen im Innenraum einer mittelgroßen Konzerthalle.
Trotz der Enge berührten sie einander nicht.
Sie redeten kurz über die Band, er bemühte sich, locker zu sein, erinnerte sich an Details über die Band, die er gegoogelt hatte, und ließ sie geschickt ins Gespräch einfließen.
Er hatte in der Aufregung völlig vergessen, sie zu fragen, ob sie etwas trinken wollte. Er musste sie einladen. »You want a beer?«
Ingeborga nickte.
Während er sich eilig an die Bar begab, kam die Band auf die Bühne. Applaus brandete auf. Die schnellen Beats schienen von den Wänden abzuprallen. Er wartete an der Bar. Keiner der Barkeeper schien ihn zu bemerken, er spürte, dass er zu schwitzen begann.
Er durfte nicht zu viel trinken, das war nicht gut.
Endlich wurde ein Barkeeper auf ihn aufmerksam.
Vorsichtig trug er die zwei Flaschen Sapporo vor sich her.
Wo war Ingeborga? Da, er sah ihr blondes Haar zwischen dem Meer aus schwarzen Haaren.
Abrupt blieb er stehen. Sie sprang und hüpfte zur Musik, ihr Haar flog, und sie sah ihn nicht.
Die anderen waren etwas zurückgewichen. Niemand außer ihr tanzte, man wippte leicht oder hörte einfach nur zu.
Einige Japaner starrten das blonde, springende Mädchen verstohlen an. Tetsuo wusste nicht, was er tun sollte. Dann war der Song zu Ende. Ingeborga blieb atemlos stehen und klatschte und pfiff auf zwei Fingern. Lachend trat sie zu ihm. »Wow, they are great!«
Ihr Haar klebte an der verschwitzten Stirn.
Sie nahm einen großen Schluck aus der Flasche. »Do you like them?«
Er verstand nicht: »Who?«
Sie lachte: »The band!«
»Oh, yes, yes.« Er nickte steif und hielt sich an seinem Bier fest.
Sie sah ihn unverwandt an. »Are you okay?«
Was sollte das heißen? Verwirrt versuchte er zu lächeln. »Yes, yes.« Er nahm einen Schluck aus der Flasche. Sah dieses Mädchen alles? Er hatte mit einem Mal das Gefühl, dass es keine gute Idee gewesen war, mit ihr auszugehen.
Ingeborga fing wieder an zu tanzen. Ihm wurde heiß. Er vertrug nicht viel Alkohol. Er sah ihr zu, wie sie tanzte, mit geschlossenen Augen. Wie ein unbändiges Tier, voller Kraft sprang und wirbelte sie herum, schüttelte ihr Haar.
Er schämte sich plötzlich und wusste nicht, wieso. Eilig ging er wieder an die Bar und holte noch zwei Flaschen Bier.
Er holte tief Luft, trank.
Dann versuchte er ein wenig in den Knien nachzugeben, wippte zur Musik. Seine Hüften fühlten sich steif an. Er verlagerte sein Gewicht auf das linke Bein und wippte weiter. Verstohlen sah er sich um. Niemand nahm Notiz von ihm, alle schauten zur Bühne.
Nun bewegte er auch seine Schultern leicht, ein bisschen so, wie er es bei Ingeborga gesehen hatte. Dann schloss er die Augen, nahm noch einen Schluck Bier. Sein ganzer Körper wurde weicher.
»Hey, Tetsuo?« Eine bekannte Stimme schreckte ihn auf. Es war Keita, sein Arbeitskollege.
Er hustete und verbeugte sich.
Es war zu laut zum Reden. Ein Glück. Er wünschte Keita einen schönen Abend und verabschiedete sich schnell.
Ingeborga hielt nach ihm Ausschau. Sie lachte.
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