Zehn zärtliche Kratzbürsten
ununterbrochen unterwegs. Er versprach, das beim Großputz ausrangierte Gerümpel am nächsten Tag auf die Deponie zu scha f fen, oder am übernächsten, das hinge von der Dauer der Blumenru n de des Industrierates ab. Rauno Rämekorpi schätzte, dass das Taxi bald frei würde, aber Sorjonen glaubte nicht recht daran. Er sagte, er sei früher mal geschlagene zwei Wochen hintereinander mit einem Kunden unterwegs gewesen, sie seien nach Tornio und sogar nach Dänemark gefahren. Und ein anderes Mal habe er einen Verme s sungsrat aus Espoo chauffiert, darüber sei der ganze Sommer ve r gangen.
Als die Rede auf Dänemark kam, dachte Rauno sofort wieder an den Ingenieur Elger Rasmussen. Gegen den Mann musste er irgen d etwas unternehmen. Was meinten Sorjonen und Sonja dazu? Beide bestätigten, dass das Dreiecksdrama irgendwie aufgelöst werden müsste, aber nicht gewaltsam und mit der Waffe, sondern anders, auf die feine Art, wenn möglich.
Als Sorjonen gegangen war, setzten Sonja und Rauno die Mah l zeit fort. Es herrschte prächtige Stimmung. Sonjas Kater war verfl o gen, sie strahlte geradezu vor Zufriedenheit, während sie ihre Wo h nung betrachtete, aus der sämtliche kaputten Möbel und die stinke n de Wäsche entfernt worden waren, all der überflüssige Krempel, der sich im Laufe der Jahre angesammelt hatte. Es war lange Zeit her, seit Sonja zuletzt ihr Heim geputzt hatte, und sie hätte die Sache auch jetzt nicht in Angriff genommen, wäre nicht Rauno Rämekorpi überraschend aufgetaucht.
Sonja: Ich bin nun mal so veranlagt, dass ich allein nichts auf die Reihe kriege, und nüchtern schon gar nicht. Aber wenn ein guter und freigiebiger Gast kommt, dann läuft die Sache.
Sie schluchzte: In der Wohnung seien schon seit Jahren keine a n ständigen Menschen mehr zu Gast gewesen. Sie sei eine alternde Frau und zudem noch eine Säuferin, in ihrem Heim fühle sich kein feiner Herr wohl, sofern sie überhaupt mal einen richtigen Kavalier finde. Früher sei es anders gewesen, zu jener Zeit, als sie, Sonja Autare, mit ehemaligem und richtigem Nachnamen Ala-Näätynki, als junge Moderedakteurin bei der Zeitung Wir Frauen gearbeitet habe. Damals hatten sich die Männer bei ihr zu Hause die Klinke in die Hand gegeben, wahrhaftig! Aber damals, vor Jahrzehnten, sei sie ja auch eine schöne und wählerische Frau gewesen, die sich ihre Freu n de sorgfältig ausgesucht habe, besonders die männlichen.
Sonja hätte jeden haben können, wenn sie gewollt hätte, aber in jungen Jahren war ihr keiner recht gewesen. Die junge Modereda k teurin hatte sich nur umschmeicheln und umwerben lassen. Der einzige Mann, nach dem sie sich gesehnt hatte, war ihr Vater, aber den hatte sie überhaupt nie kennengelernt. Sergeant Ala-Näätynki war im Winterkrieg gefallen. Sonja war während des Zwischenfri e dens als Kriegswaise geboren worden. Ihre Kindheit war ärmlich gewesen, typisch während des Krieges. Sonja stammte aus einer kinderreichen Familie, sie hatte fünf Brüder, und alle hatten es im Leben zu etwas gebracht. Sie hatten Land bestellt, und zwei hatten studiert und waren Lehrer geworden. Sonjas ältere Schwester Leena hatte den Dorfpolizisten geheiratet. Später war sie die Witwe des Oberwachtmeisters geworden, als er im Jahr der Olympischen Spiele auf einer Kraftwerksbaustelle unter ein Auto geraten war.
Sonja erzählte, dass ihr Vater während des Winterkrieges in Su o mussalmi gekämpft hatte, verwundet worden und den Russen in die Hände gefallen war. Der Feind hatte den armen Kerl mit eisigen Ketten an den Turm des Panzerwagens gefesselt. Der Panzer war durchs verschneite Gelände gefahren, mit dem vor Schmerzen wimmernden Mann als Schild. Niemand hatte etwas dagegen unte r nehmen können. Am nächsten Morgen war der geschundene Leic h nam ihres Vaters im vereisten Schnee gefunden worden. Nach solchen Erfahrungen hatten weder der grausame Sieg an der Straße nach Raate noch die große Kriegsbeute die Verzweiflung der Sold a ten mildern können.
Die alte Moderedakteurin erhob ihr Glas. Sie seufzte und murme l te mit tränenerstickter Stimme, dass auch der Soldat ein Mensch sei, der Feind aber nicht.
6 Eveliina
Der teure Bollinger Special begann zu wirken, und Sonja Autare wurde schläfrig. Sie wankte in ihr Schlafzimmer und fiel auf die Matratze, die auf dem Fußboden lag. Rauno deckte die frühere Moderedakteurin mit einem Badetuch zu. Sie schlief mit weit geöf f netem Mund. Einen Augenblick lang hatte Rauno Lust,
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