Zehn zärtliche Kratzbürsten
darin. Die Häuschen waren rührend klein, dreieinhalb Meter breit, fünf Meter lang. Einige waren mit Veranden und ve r schiedenen Anbauten erweitert worden.
Rauno Rämekorpi überlegte eine Weile, ob es passend war, in einen Garten Blumen mitzubringen, aber da noch reichlich Vorräte vorhanden waren, beschloss er, einen Strauß zu überreichen. Laut Karte stammte er von der Unternehmerin Kaija Aarikka. Ihre Firma hatte an der Ausstattung der Schiffskabinen des Rämekorpi-Konzerns mitgewirkt. Der Strauß enthielt große blaue und weiße Blüten, vielleicht Lilien, sagte sich der Industrierat. Er griff sich auch die übliche Flasche Champagner, und dann klopfte er an die Tür des kleinen Gartenhäuschens. Bald wurde geöffnet, und Eveliina Mäki erschien, um ihren Gast zu begrüßen. Rauno Rämekorpi zerknüllte Kaija Aarikkas Glückwunschkarte und steckte sie in die Tasche, dann überreichte er Eveliina die Blumen. Das Häuschen war innen sehr hübsch, wie nicht anders zu erwarten, aber sehr klein und bescheiden. Rauno erinnerte sich, in der Zeitung gelesen zu haben, dass auf dem Gelände Wohnungen gebaut werden sollten, die Pläne waren sogar schon fertig, so etwa hatte es da geheißen. Auf jeden Fall hatte auch die heutige finnische Staatspräsidentin Tarja Halonen seinerzeit hier herumgepusselt, sie hatte ihre eigene kleine Parzelle und ein ähnliches Häuschen besessen. Ein ziemlicher Sprung – von der Gartenkolonie in die Sommerresidenz des Präsidenten am »Gol d strand« in Naantali.
Rauno Rämekorpi erkundigte sich nach Eveliinas Befinden.
Eveliina: Mir ging es den ganzen Tag ziemlich mies. Ich hätte beinah den Rettungswagen alarmiert, aber dann dachte ich, dass Frauen im Allgemeinen nicht am Herzschlag sterben, und ich habe dich angerufen. Erst dann fiel mir ein, dass du ja Geburtstag hast. Entschuldige, ich hätte dir gratulieren und dich nicht mit anderen Dingen behelligen sollen.
Rauno ließ den Blick verstohlen durch den kleinen Raum schwe i fen. Im Alkoven stand ein Doppelbett, wie das geübte Auge des mobilen Kavaliers registrierte. In der Kochnische gab es einen Flüssiggaskühlschrank und einen Herd, ferner ein Regal mit ve r schiedenen Dosen und Gewürzen. Im Wohnzimmer standen zwei Hocker und ein Bücherschrank, darin Literatur über Gartenpflege und daneben eine mehrbändige Ausgabe mit braunem Rücken. Das Interesse des Industrierates erwachte: Handelte es sich hier um ein botanisches Nachschlagewerk? Er bückte sich, nahm eines der Bücher heraus und stellte fest, dass es der elfte Band von Lenins gesammelten Werken war. Verdutzt stellte er das Buch wieder ins Regal zurück und entschuldigte sich.
Rauno: Man soll eigentlich nicht in den Bücherregalen anderer Leute herumwühlen. Wo wohnst du, doch nicht etwa hier?
Eveliina erzählte, dass sie bereits im Frühjahr ihre Wohnung in Hakunila hatte aufgeben müssen, als sie krank geworden war und das Krankengeld nicht für die Miete gereicht hatte. Hier in ihrem Ga r tenhäuschen war es sehr gemütlich, sie hatte den ganzen Sommer hier gewohnt und ihren Krankenurlaub genossen, aber je näher der Herbst herangerückt war, desto mehr Sorgen hatte sie sich über ihre Zukunft gemacht. Für den Winter hatte sie keine Wohnung in Au s sicht, und das Herz hatte ihr in letzter Zeit wirklich arg zu schaffen gemacht.
Eveliina: Unregelmäßiger Herzschlag, Schwellungen, und manchmal wird mir schwarz vor Augen. Ich dachte, ich erzähle dir, wie es mir geht. Dann wieder sagte ich mir, dass dich so was unmö g lich interessieren kann, bei dir sind Hunderte von Leuten beschäftigt, du kannst nicht auf jeden Einzelnen eingehen.
Rauno Rämekorpi wollte wissen, ob seine Firma kein anständiges Krankengeld zahlte. Und war Eveliina nicht behandelt worden? Hatte man sie wenigstens untersucht? Schließlich verfügte der Rämekorpi-Konzern über das gesetzlich vorgeschriebene Betriebsgesundheit s wesen.
Eveliina: Zweimal ist ein EKG gemacht worden, aber das hat nicht wirklich was ergeben. Und Tagegeld habe ich zwar bekommen, aber das reicht auf keinen Fall für die Miete in der Stadt. Wah r scheinlich muss bei mir ein Bypass oder so was gelegt werden, aber weil ich noch so jung und außerdem eine Frau bin, habe ich Bede n ken …, ich habe versucht, ganz still vor mich hin zu leben, vielleicht geht das alles ja vorbei. Herzkrankheiten sind etwas für alte Männer.
Sie vereinbarten, dass sich Eveliina gleich zu Beginn der Woche untersuchen und gegebenenfalls
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