Zehn zärtliche Kratzbürsten
Russland gab es größere Massen, ihre Zerstörungskraft konnte nicht mal vom deutschen Fleiß und deutscher Strebsamkeit übertroffen werden. Rauno repräsentierte trotz allem den Kapitalismus, eine frühere Zugehörigkeit zum linken Lager änderte nichts an dieser Tatsache.
Eveliina: Als Mensch bist du ganz okay, aber auch du strebst nach Profit, das ist nun mal so.
Rauno erklärte, dass er für eine gewisse Kapitaldeckung sorgen musste, wenn er seine Mitarbeiter in Lohn und Brot halten wollte. Würde er den Gewinn an die Arbeiter verteilen, dann wäre die Firma bald pleite, und tausend Menschen stünden auf der Straße. Zwischen gewöhnlichem Unternehmertum und Börsenspekulation gab es gewisse Unterschiede. Heute regierte das internationale Aktienkap i tal, da es von links keinen Widerstand mehr gab. Innerhalb weniger Sekunden verschoben die Spekulanten die Milliarden von einem Land ins andere, die Börsianer witterten, wo sich die größten Gewi n ne machen ließen. Wenn in Indien ein kleines Mädchen Compute r komponenten zum halben Preis anfertigte, dann strömte das Geld dorthin, um Profit zu machen, und wenn dieser Standort erschöpft war, flutschte das Geld auf die andere Seite des Erdballs und vollzog dort den Aderlass, ohne Rücksicht darauf, dass ganze Landstriche verunreinigt und zig tausend Menschen arbeitslos wurden.
Eveliina: Schrei nicht so, die Nachbarn können dich hören, diese Hütte hat dünne Wände.
Rauno: Mein Konzern wird nie an die Börse gehen! Wenn auf anderem Wege nicht genug Kapital erwirtschaftet wird, dann soll er bankrott machen.
Rauno Rämekorpi brüllte, dass er weiter links stehe als die mei s ten seiner Arbeiter, von Eveliina abgesehen. Dann mäßigte er sich und senkte die Stimme auf den Normalton, schließlich war er g e kommen, um einer herzkranken Frau zu helfen. Er fragte, ob sie Angst vor einer Herzoperation hatte, falls sie sich einer solchen unterziehen müsste. Die Bypassoperation war keine ganz einfache Sache, auch wenn das oft behauptet wurde.
Eveliina sagte, wenn man sie auf die Warteliste setzen würde, w ä re alles gut, sie schrecke auch vor einer großen Operation nicht zurück. Am wichtigsten war das Leben, sie wollte noch nicht sterben, da sie noch so jung war und noch nicht mal eine eigene Familie hatte, keine Kinder und keinen Mann, nicht mal eine eigene Wo h nung. Das Leben an sich war das kostbarste Gut. Sie stand auf und hob ihren Rock hoch, bis der schimmernde Bauch sichtbar wurde. Rauno Rämekorpi starrte verdattert auf dieses reizvolle Bild. Er begriff nicht, was diese überraschende Vorstellung bedeutete, aber in seinen Lenden zog es auf altvertraute Weise.
Eeveliina: Schau! Ich wurde vor zehn Jahren am Blinddarm op e riert, er hatte sich schon entzündet, und der Arzt sagte, dass nur ein paar Minuten gefehlt hätten und ich wäre gestorben. Ich lag ander t halb Wochen in der Klinik.
Jetzt entdeckte der Industrierat an Eveliinas Bauch eine helle Op e rationsnarbe, die etwa eine Spanne lang war und sich rechts vom Bauchnabel befand, wie ein Uhrzeiger. Rauno musste an das Mal neben Eilas Nabel denken. Die Blumenrunde hatte ihm schon die Begegnung mit etlichen Nabeln eingebracht. Rauno streckte die Hand aus und befühlte die Operationsnarbe. Die junge Frau ließ es geschehen, beugte sich sogar selbst vor, um das Souvenir von der Entfernung ihres Wurmfortsatzes zu betrachten.
Rauno: Wirklich eine hübsche Narbe.
Viel fehlte nicht, und der Industrierat hätte seine Schweißerin b e stiegen, aber er bezähmte sich und schluckte den Rest seines H e ringsbrotes hinunter. Zum Hinunterspülen ein Schluck Champagner. Dann bat er Eveliina um ein sauberes Blatt Papier und begann eifrig zu schreiben. Mit fester Handschrift verfasste er ein Dokument, in dem er die Metallbearbeiterin Eveliina Mäki zur Erprobungsingen i eurin ernannte, deren Ausbildung und Erfahrung sowie ausgezeic h neten sozialen Kompetenzen bei der Rekrutierung entsprechenden Fachpersonals für den Rämekorpi-Konzern in Tikkurila berücksic h tigt werden sollten.
Rauno: Dies ist ein offizielles Dokument. Ich erkläre dich zur I n genieurin! Am Standort in Tikkurila wird in Kürze eine Planstelle frei.
Er erzählte, dass dort ein Nichtsnutz von einem dänischen Ingen i eur, ein gewisser Elger Rasmussen, gehockt habe, der sich auf unverschämte Art und Weise in die persönlichen Angelegenheiten der obersten Konzernleitung eingemischt habe und sich deshalb eine neue Arbeit suchen müsse,
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