Zehn zärtliche Kratzbürsten
führten die Patientin zum Taxi. Die Nachteulen der Gartena n lage beobachteten verdutzt das Geschehen um ihre Nachbarin: Ein Chauffeur und ein älterer Herr im Frack führten die willenlose Eveliina im Laufschritt zum Taxi. Es wirkte wie eine Entführung, aber niemand kam recht dazu, Stellung zu nehmen, der Spuk war viel zu schnell vorbei. Das Auto schoss davon und war bald aus dem Blickfeld der Leute verschwunden.
Sorjonen fuhr mit eingeschalteter Warnblinkanlage zur Klinik von Meilahti. Auf dem Fußboden des Wagens gab Rauno währenddessen Eveliina künstliche Beatmung. Er massierte ihr Herz und flehte alle ihm bekannten Götter an, das Leben der Ingenieurin zu retten.
Auf der Rampe vor der Notaufnahme standen zwei Pfleger mit der Trage bereit, und da es sich um einen schweren Herzanfall handelte, wurde die Patientin sofort in die Intensivabteilung gebracht.
Industrierat Rauno Rämekorpi und Taxichauffeur Seppo Sorjonen hinterließen im Büro die Angaben zur Person. Als man sie fragte, in welchem Verhältnis sie zur Patientin standen, gab Sorjonen sich als ihr Bruder und Rämekorpi als ihr Onkel aus. So war der Kranke n hausbürokratie Genüge getan.
Eine halbe Stunde später erschien jemand vom Personal, um den beiden Begleitern mitzuteilen, dass es der Ingenieurin Mäki besser gehe und dass bei ihr baldmöglichst eine Operation zur Erweiterung der Herzkranzarterie durchgeführt werde. Ihre Überlebenschancen standen gut.
Erleichtert verdrückten sich die beiden Frauenhelden, rauchten draußen eine beruhigende Zigarette und stiegen dann ins Taxi, das sich sacht schaukelnd in den Abendverkehr einfädelte.
7 Saara
Schweigend fuhren sie ins Stadtzentrum zurück. Die Blumenrunde hatte eine ernste Wendung genommen. Die Männer dachten jeder für sich, dass das Leben des Menschen manchmal am seidenen Faden hängt.
Sorjonen: Mach dir nichts draus, Rauno. Eveliina wird sich wi e der erholen.
Rauno Rämekorpi war am Nachmittag ausgezogen, um ein paar Frauen Blumen zu bringen, Kirsti und vielleicht auch Irja …, jetzt war ihm die Lust vergangen. Es war wohl besser, er machte für diesmal Schluss und verzog sich stillschweigend nach Hause.
In Westend angekommen, überlegte er laut, ob Sorjonen die res t lichen Sträuße auf die Deponie schaffen oder was sonst damit g e schehen sollte. Sorjonen fand, dass es nicht nötig wäre, zu so radik a len Methoden zu greifen. Die Blumen waren immer noch frisch und schön, für sie gab es bestimmt einen besseren Verwendungszweck als die Deponie. Er schaltete auf dem Innenhof des Reihenhauses seinen Motor aus und stieg aus dem Wagen, um seinen Fahrgast hineinzubegleiten. Seine langjährigen Erfahrungen aus der Persone n beförderung sagten ihm, dass ein Mann, der von einem Ausflug zu seiner liebenden Gattin heimkehrte, unter Umständen die Unterstü t zung eines Freundes brauchte. Rauno Rämekorpi öffnete die Haustür und setzte eine gekünstelt muntere Miene auf.
Das Haus war leer, von Annikki keine Spur. Der Ehemann unte r suchte beklommen jedes Zimmer, lugte in die Sauna und in sämtliche Toiletten. Auf dem Telefontisch lag kein Zettel, der ihn informiert hätte, wohin seine Frau gegangen war. Der Kühlschrank war gut gefüllt, Einkäufe machte sie also garantiert nicht. Rauno rief sie auf dem Handy an, aber der Automat teilte mit, dass das Gerät nicht betriebsbereit sei.
Sorjonen: Was machen wir jetzt? Wohin fahren wir?
Erschrocken und deprimiert sank Rauno Rämekorpi auf das Sofa im Wohnzimmer. Das schlechte Gewissen plagte ihn mächtig. Wo mochte Annikki sein? Hatte sie die Eskapaden ihres Mannes satt und das gemeinsame Heim verlassen, womöglich für immer? Annikki war zwar langmütig, aber alles hatte seine Grenzen. Im Allgemeinen hatte sie um die Seitensprünge ihres Mannes nicht viel Aufhebens gemacht, aber vielleicht war jetzt das Maß voll …, hatte sie gar von seinen jüngsten Abenteuern erfahren? Er hatte sich ja keine Mühe gemacht, etwas zu verheimlichen. Womöglich hatte sie sich etwas angetan, hatte ein Röhrchen Tabletten geschluckt und lag jetzt sterbenskrank in einer Klinik, hing am Tropf? Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, als er sich ausmalte, wie man seine arme, unschu l dige Frau auf der Bahre durch den langen Kellergang einer Klinik in den Leichenraum schob, ihr Gesicht mit einem Laken bedeckt, eine Hand war über den Rand der Bahre gerutscht und hing schlaff herab. Sein Herz krampfte sich bei diesem Bild zusammen.
Rauno: Das
Weitere Kostenlose Bücher