Zehn zärtliche Kratzbürsten
verbracht, und zuvor hatte er Doktor Heikki Korkkalainen heftig verprügelt. Nicht ohne Grund. Kirsti würde jetzt ein ruhigeres Leben führen können, denn Rauno glaubte den brutalen und kranken Kerl zumindest für einige Zeit in die Flucht geschlagen zu haben.
Durch den Haupteingang des Museums trat ein betagter Herr in grauer Uniform, er öffnete die Tür mit seinem eigenen Schlüssel. In der Hand trug er eine lange Papierrolle. Der Mann rollte den großen Bogen auf und befestigte ihn an der Tür, die er offen gelassen hatte.
Nach getaner Arbeit trat er in die Haupthalle und bemerkte erst jetzt, dass mitten im Raum ein prächtiges Bett mit Baldachin stand und dass darin zwei Menschen lagen. Er war ein wenig verwirrt ob des Anblicks, verlor aber nichts von seiner Würde, sondern trat näher und stellte sich vor. Er sagte, er sei der Oberaufseher Viljami Rose n dahl. Rauno Rämekorpi richtete sich in den alten Kissen des Gouve r neurshauses so weit auf, wie es die Höflichkeit verlangte, und reichte dem anderen die Hand.
Oberaufseher: Ich bedaure, dass ich hier so früh eindringe und Ihren Schlaf störe, aber jetzt herrscht eine Ausnahmesituation. Wir Aufseher und das andere Dienstpersonal befinden uns nämlich an diesem Wochenende im Streik, und ich bin beauftragt worden, eine entsprechende Information an der Eingangstür des Museums zu befestigen.
Auch Kirsti Korkkalainen erwachte jetzt von dem Besuch. Ung e niert begrüßte sie ihren Kollegen, der sich erkundigte, ob er dem Paar das Frühstück ans Bett bringen solle. Ohne eine Antwort abzuwarten, entfernte er sich ins Kellergeschoss des Gebäudes. Kirsti gab Rauno einen Morgenkuss und erzählte ihm, dass Oberaufseher Rosendahl ein goldiger Kerl sei, hilfsbereit und mit viel Stil. Ohne ihn käme das Museum gar nicht aus.
Bald kam Rosendahl aus dem Kellercaf é zurück, er trug ein Ta b lett, das mit Teetassen, Saft, Toastbrot, Schinken und Käse sowie zwei Kiwis beladen war. Er stellte das Tablett auf einen kleinen Hocker, den er ans Bett schob. Das Frühstück hatte er selbst zubere i tet, denn auch die Mädchen vom Café befanden sich im Streik.
Oberaufseher: Ich hätte ebenfalls Lust, mal im Bett des Königs zu schlafen, aber das ist wohl kaum möglich. Doch jetzt muss ich erst einmal schnell nach unten, das Teewasser kocht wahrscheinlich schon.
Als der Oberaufseher später den Tee eingoss, versprach Kirsti ihm, dass er, wann immer er wolle, eine Nacht unter dem Baldachin Gustavs III verbringen könne, zum Beispiel gleich heute, sie brauc h ten es nur abzusprechen.
Oberaufseher: Kirsti, auf dieses Versprechen komme ich bald zurück, das versichere ich dir! Aber jetzt lasse ich euch in Ruhe frühstücken und befestige indessen auch an der Tür zum Hof eine Streikmitteilung, damit die Besucher nicht umsonst anklopfen. Hier ist die Teekanne! Einen schönen Tag noch!
Das Frühstück im Bett des Königs schmeckte ausgezeichnet. Nach der Mahlzeit und einem Abschiedskuss machte sich der Industrierat wieder auf den Weg.
Die herbstliche Sonne schien von Osten, aus Richtung der Villa der Aurora Karamzin, aufs Nationalmuseum. Es war Samstagmo r gen. Rauno Rämekorpi war jetzt sechzig Jahre und einen Tag alt. Er hatte vom gestrigen Feiern einen mächtigen Kater, sein Gehirn war noch ziemlich vernebelt. Der Mann wanderte forsch und aufrecht in Richtung Ostrobotnia. Er war mit seinen Gedanken und Erinneru n gen ganz allein auf der Straße.
Im Eingang zu einer Kellergaststätte lag ein Mann in Rämekorpis Alter, von den Granitstufen war sein linkes Bein auf die Straße gerutscht, bekleidet mit einem schwarzen Schuh und einem dunke l blauen Hosenbein. Als Rauno hinging, um den müden Nachtwand e rer zu wecken, staunte er nicht schlecht – da lag kein Mann, sondern nur das Bein eines solchen. Der Körper befand sich woanders, wer weiß, wo. Der Industrierat hob das Glied auf. Es war überraschend leicht, und kein Blut floss heraus. Am Hosenbein befand sich ein Reißverschluss. Als Rauno ihn aufzog, erkannte er, dass er eine Beinprothese in Händen hielt. Was war zu tun?
Die Lösung für das Problem fand er im nächsten Viertel, denn dort lag ein alter einbeiniger Mann schnarchend auf der Parkbank. Rauno kehrte um, holte die Prothese und versuchte den schlafenden Alten zu wecken, aber der war nicht interessiert an seinem losen Glied. Rauno sah sich die Prothese näher an und stellte fest, dass sie sich leicht einschrauben ließ. So war schließlich alles wieder in
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