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Zehn zärtliche Kratzbürsten

Zehn zärtliche Kratzbürsten

Titel: Zehn zärtliche Kratzbürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Sie fand sie zum Kotzen, denn sie basierten alle auf derselben, schon vor Jahrzehnten gemachten einzigen Erkenntnis.
    Sonja: Überleg doch mal, jeder blöde Naturfilmer nimmt zum tausendsten Mal die verfluchten selben Geparden auf, die hinter einem Bambi herrennen, und wenn die Viecher dann ihre Beute schnappen, dann spielt der Trottel den Schlaumeier und verkündet: So ist es nun mal in der Natur , des einen Leben ist des anderen Tod. Verflucht! Hunderte und Tausende Naturfilmer leiern diese Selbs t verständlichkeiten in jedem verdammten Programm herunter. Ich habe die Nase voll davon, es macht mich richtig wütend, den Mist dieser Idioten anzusehen und anzuhören, keiner von ihnen entwickelt auch nur einen einzigen neuen Gedanken. Scheiße. Entschuldige, aber auf den Fernseher pfeife ich, und das Geld, das ich für die Kiste in der Pfandleihe gekriegt habe, das habe ich gleich versoffen.
    Sonja ging von der Annahme aus, dass sie Weihnachten nüchtern verbringen würde. Sie beabsichtigte, in ein Kurhotel in der Provinz zu fahren, vielleicht nach Ikaalis oder nach Turku. Rauno versprach, ihr die Reise zu bezahlen. Sie bedankte sich, meinte aber, dass sie allein klarkommen würde, sie hatte eine ganze Woche lang nicht getrunken und daher zwei Reportagen verkaufen können.
    Sonja: Ich ackere auf jeden Fall so lange, bis ich wieder den Ra p pel kriege, dann kannst du kommen und mir helfen.
    Rauno schlug ihr vor, gar nicht wieder anzufangen mit dem Tri n ken. Sie meinte darauf, dass es wunderbar wäre, aber ganz abstinent würde sie wohl nie werden. Rauno fand, dass Abstinenz gar nicht so erstrebenswert war. Sie sollte einfach weniger trinken, nicht jeden Tag und jedenfalls nicht gleich am frühen Morgen.
    Sonja: Silvester mach ich einen drauf, hoffentlich artet es nicht gleich in ein Riesenbesäufnis aus.
    Rauno: Wir könnten zu Beginn des Abends gemeinsam saufen.
    Sonja: Du meinst, weil ich zu späterer Stunde aus den Latschen kippe?
    Rauno: Vermutlich.
    Sonja beklagte die Trunksucht der Finnen und zugleich auch ihr eigenes Schicksal. Die Leute, sie selbst eingeschlossen, tranken absolut sinnlos, solange noch ein Tropfen Schnaps da war, und wenn er alle war, besorgten sie sich neuen, bis sie schließlich umfielen. Wirklich sinnlos das Ganze.
    Rauno Rämekorpi erklärte ihr, dass die Finnen keine schlimmeren Säufer seien als andere Völker auf demselben Breitengrad. Er sagte, er habe eine Theorie entwickelt über die Trinkfestigkeit der Völker in der Nadelwaldzone. In den nordischen Wäldern würden keine Weintrauben gedeihen. Hier hatten die Menschen Tausende von Jahren selbstgebrautes Bier getrunken, aber als sie dann die Destill a tionsmethode entwickelten und den Schnaps für sich entdeckten, tranken sie ihn aus alter Gewohnheit in denselben Mengen wie vorher das Bier. Es war ja klar, dass man umfiel, wenn man den Schnaps kannenweise in sich reinschüttete.
    Rauno zählte die nordischen Schnapsvölker von West nach Ost auf: Die Goldgräber aus Alaska und die kanadischen Holzfäller waren starke Säufer, die Inuit in Grönland erlebten keinen einzigen nüchternen Tag, die Isländer waren richtige Großsäufer, ganz zu schweigen von den Iren, deren ganze Kultur auf dem Whisky basie r te. Unmengen von Branntwein schlürften sowohl die Norweger als auch die Schweden, und wenn man Finnland in diesem Zusamme n hangais selbstverständliches Schnapsland übersprang, kam man auch schon nach Russland, du liebe Güte! Das ganze große Reich von St. Petersburg und Moskau bis hin in die entlegensten Gegenden von Sibirien stank nach Wodka, die Harmonika spielte, und die Russen lagen halb bewusstlos und kurz vor dem endgültigen Abschrammen am Boden, in der Hand eine leere Wodkaflasche und auf dem Hemd, neben dem Erbrochenem, eine angebissene Salzgurke.
    Rauno fand, dies sei ein natürliches geographisches Schicksal. Sonja brauche sich nicht persönlich die Schuld dafür zu geben, dass sie auf der nördlichen Halbkugel zur Welt gekommen sei, Schuld seien die Vorväter, die die rauschenden Nadelwälder besiedelt und die südlichen Hügel, auf denen Weintrauben wuchsen, hinter sich gelassen hatten.
    Er fügte noch hinzu, dass auch in der südlichen Waldzone der Schnaps nur so strömte, oder was sollte man zu den Australiern und Neuseeländern sagen, die von morgens bis abends Hochprozentiges schluckten und im Rausch bösartig und unberechenbar wurden.
    Diese Theorie beruhigte Sonja Autare ungemein. Sie fand den Gedanken angenehm,

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