Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
Brechreiz auslösender Geruch in die Nase steigen würde. Zwar schätzte er durchaus eingelegte Gurken, vor allem dann, wenn sie als verzehrbare Dekoration seiner geliebten Hausmacherbrote Verwendung fanden. Doch bei der Vorstellung, Kaffeetassen voller Gurken vertilgen zu müssen, drehte es ihm fast den Magen um.
»Ja, aber warum bist du denn derart durch den Wind, wenn diese Diät so toll ist?«, fragte er verwundert und nippte an seinem Espresso.
Petra Flockerzies Mienenspiel veränderte sich wie auf Knopfdruck. »Heute Nacht bin ich rückfällig geworden«, jammerte sie. »Ich hab’s einfach nicht mehr ausgehalten. Ich hab stundenlang mit dieser schrecklichen Fressgier gekämpft, aber schließlich doch verloren. Dann bin ich an eine Tankstelle gefahren und hab mich mit Schokolade, Chips und anderen Kalorienbomben eingedeckt.«
Sie stöhnte. »Und zu Hause hab ich alles in mich hineingeschlungen. Bis mir schlecht wurde.« Nach einer kleinen Pause ergänzte sie wimmernd: »Aus purer Verzweiflung hab ich mir dann die Finger in den Hals gesteckt.« Sie greinte auf. »Das war so eklig.«
»Ja, aber, wenn das meiste wieder rausgekommen ist, hast du doch gar nicht so extrem zugeschlagen«, versuchte ihr Gegenüber ein wenig Trost zu spenden. »Dann hast du wohl kaum riesige Kalorienmengen …«
»Meinen Sie wirklich?«, fiel ihm seine Sekretärin ins Wort.
»Sicher.«
Der Ansatz eines Lächelns huschte über Petra Flockerzies Gesicht.
»Du darfst nicht immer so total verkrampft ans Abnehmen herangehen. Sonst verlierst du noch sämtliche Lebensfreude, und das wäre doch jammerschade.« Er lachte auf. »Vor Kurzem habe ich ein gutes Zitat gelesen. Irgendein Ami hat mal gesagt: Ich habe eine neue Diät ausprobiert. In vierzehn Tagen verlor ich genau zwei Wochen. Ist das nicht gut?«
»Doch«, erwiderte die Sekretärin in einen unterdrückten Schluchzer hinein. Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht.
»Na, siehst du, so gefällst du mir schon wieder bedeutend besser. Du musst dir während einer Diät ab und an etwas richtig Gutes gönnen. Das hilft auf Dauer viel effektiver beim Abspecken als diese Radikalkuren. Denn sonst entwickelst du einen unglaublichen Heißhunger auf all das, was man nicht essen darf.«
Der Leiter des K 1 klatschte in die Hände und erhob sich. »Du braust uns jetzt zur Feier des Tages zwei schöne Cappuccino und ich geh runter in die Kantine und besorge uns zwei mit Pudding gefüllte und mit dicken Butterstreuseln gekrönte Kaffeestückchen. Okay?«
»Hmh«, summte die Sekretärin voller Vorfreude und begann laut zu schmatzen. »Und Sie meinen wirklich, dass ich mir ausnahmsweise mal so etwas Ungesundes genehmigen darf?«
»Ja, sicher, Flocke. Viele Untersuchungen haben das, was ich dir eben erzählt habe, wissenschaftlich belegt.«
Als ihr Vorgesetzter nach ein paar Minuten in die Räumlichkeiten der Kaiserslauterer Mordkommission zurückkehrte, hatte das aschgraue Gesicht seiner Mitarbeiterin endlich wieder den roséfarbenen Teint angenommen, der weitaus besser zu ihrem freundlichen und gutmütigen Wesen passte.
Wolfram Tannenberg biss gerade genüsslich in sein gefülltes Krümelteilchen, als das Telefon läutete und er in Kriminaldirektor Eberles Büro beordert wurde.
»Da haben Sie sich ja mal wieder etwas wirklich Grandioses geleistet«, polterte Dr. Hollerbach sofort los, als Tannenberg das Dienstzimmer seines unmittelbaren Vorgesetzten betrat. Er wedelte mit der tagesaktuellen Ausgabe der Pfälzischen Allgemeinen Zeitung herum, die hier in der Gegend meist nur PALZ genannt wurde. Auf ihrer Titelseite war ein Foto abgedruckt, das den Leiter des K 1 zeigte, wie er der Kamera seinen Mittelfinger entgegenreckte.
»Killerschütze: Noch immer keine heiße Spur!«, las der Oberstaatsanwalt vor. »Hauptkommissar Tannenberg behindert massiv die Arbeit der Presse. Ist diese obszöne Geste Ausdruck der Verzweiflung und Überforderung der zuständigen Mordkommission? Und so weiter und so fort. Sie sind einfach die fleischgewordene Unfähigkeit.« Aus seinen Augen feuerte er zornige Blitze in Richtung seines Erzfeindes ab.
Kriminaldirektor Eberle bat den Vertreter der Staatsanwaltschaft mit einer beschwichtigenden Geste um Mäßigung. Tannenberg seinerseits nahm die Rüge äußerlich betont gelassen entgegen. Er hatte nichts anderes erwartet, zu oft schon hatte ihm Hollerbach in ähnlichen Situationen solche Pauschalvorwürfe an den Kopf geworfen. Überdies kannte er
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