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Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Titel: Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Kurzem hat sich ein ehemaliger Elitesoldat in einem Restaurant während des Essens auf den Boden geworfen und panisch losgeschrien. Und warum?« Die Frage schwebte ein paar Sekunden durch den Innenraum des Autos. »Nur weil einige arabisch aussehende Gäste das Restaurant betreten hatten. Manch einer verspürt während dieser extremen seelischen Qualen sogar den Drang, auf der Stelle töten zu wollen. Von daher hatten die Leute in diesem Restaurant großes Glück.«
    »Aber wie passt es zusammen, dass einer im Krieg ein Foltertrauma erlitten hat und, anstatt nie mehr eine Waffe anzufassen, zum Mörder wird?«
    »Ich weiß, dieses Phänomen erscheint einem zunächst unbegreiflich, aber ich versichere Ihnen, in diesem Bereich haben wir es mit einem sehr breiten Spektrum an möglichen Reaktionsweisen zu tun. Seitdem die Ergebnisse von groß angelegten Forschungsstudien über Veteranen des Vietnamkrieges vorliegen, wissen wir das. Die Bandbreite reicht von Suizid, Drogen- und Alkoholtod bis hin zu religiösem Eiferertum und der Durchführung von Gewaltverbrechen.«
    Der Oberstabsarzt legte die Hand auf seine Stirn und schüttelte den Kopf. »Was rede ich denn da eigentlich für nebensächliches Zeug. Ich habe ja etwas ganz Entscheidendes vergessen: John wurde in einem Sportstadion gefangen gehalten und gefoltert. Seine Peiniger haben dort für einen Zehnkampf-Wettbewerb trainiert.« Er lupfte die Schultern. »Vielleicht für irgendwelche Militärmeisterschaften.«
    Tannenbergs Herzschlag raste plötzlich wie ein wild gewordener Elektromotor: »Was? Sind Sie da ganz sicher?«
    »Ja, das war ein zentraler Bestandteil seines Martyriums. Diese Folterknechte haben ihn mit einer glühenden Eisenkugel gequält, mit einem angespitzten Speer malträtiert, Diskus-Zielwerfen auf ihn veranstaltet, das Drahtseil des Hammers als Leiter für Elektroschocks benutzt, ihn nackt über eine Hürde gelegt und ausgepeitscht.«
    Im Hirn des SOKO-Leiters spielten sich chaotische Szenen ab. Er atmete tief durch und presste sich dabei die Finger auf die Schläfen. »Und Sie glauben, dass seine Selbsttherapie darin besteht, sich an Orte zu begeben, die bei der Entstehung seines Traumas eine entscheidende Rolle gespielt haben? So etwas wie eine Konfrontationstherapie?«
    Kronenberger hatte den Kopf gesenkt und nickte stumm.
    »Meinen Sie das wirklich?«, hakte Tannenberg mit anschwellender Stimme nach.
    »Ja«, gab der Trauma-Therapeut seufzend zurück.
    »Was ist denn mit Ihnen? Warum sind Sie denn plötzlich so geknickt?«
    Der Oberstabsarzt stöhnte leidend auf. »In unserer letzten Sitzung haben wir genau darüber gesprochen.« Als er den Kopf hob, sah Tannenberg, dass in seinen Augen Tränen schimmerten. Er hämmerte mit dem Zeigefinger auf seine Brust. »Ich selbst habe ihm diese Wahnidee in den Kopf gesetzt, indem ich ihm einen Ausblick auf den weiteren Fortgang der Therapie gegeben habe: Besuch von Sportplätzen und Wettkämpfen, bis hin zum Training mit denjenigen Geräten, mit denen er bis aufs Blut gequält wurde.«
    Dr. Kronenberger hob seine Hände zu einer entschuldigenden Geste. »Aber ich konnte doch nicht ahnen, dass er meine Äußerungen auf diese grausame Art und Weise umsetzen würde. Trotzdem bin ich für diese Mordserie verantwortlich«, schniefte er.
    Tannenberg tätschelte ihm tröstend den Oberschenkel. »Quatsch, mit so etwas konnte doch niemand rechnen.«
    »Doch, ich hätte das tun müssen«, erwiderte der Oberstabsarzt und putzte sich geräuschvoll die Nase.
    Junge, lass dich nicht von ihm einlullen, meldete sich Tannenbergs innere Stimme wie stets unaufgefordert zu Wort. Sein Puls hatte sich inzwischen wieder einigermaßen normalisiert. Du befindest dich gerade auf dem besten Weg, die Faktenlage zu vernachlässigen und dem Hirngespinst eines angstneurotischen Psychologen zu folgen. Du kennst doch diese Psychos, die haben schließlich alle einen Schuss. Die müssten doch die ersten sein, die sich auf ihre eigene Couch legen! Objektiv betrachtet spricht bis jetzt nichts, aber auch rein gar nichts dafür, dass dieser Thomas Rettler nicht der gesuchte Sniper ist – basta!
    »Martern Sie sich doch nicht weiter mit diesen abstrusen Gedanken. Ich kann es nur immer wiederholen: Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich Ihre Hypothese mit keinem Indiz untermauern«, verpackte Tannenberg seine kritischen Gedanken.
    Wie aus dem Nichts tauchte in seinem Hirn eine neue Erklärungsvariante auf: Es könnte doch sein, dass Rettler

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