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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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müssen.«
    Erstauntes Gemurmel breitete sich aus, auf das Ellen nicht weiter einging. Es war alles mit ihrem Chef besprochen, und für weitere Diskussionen fehlte die Zeit.
    Sie wandte sich an Khalid. »Herr Schabab, wenn wir gleich in die andere Zentrale gehen, werden Sie die Kameras abschalten. Nur die Leitung für das eingehende Bildsignal und die für den Anruf des Erpressers bleibt offen.«
    »Was ist mit der Drohung?« Stefan trat einen Schritt vor. »Willst du riskieren, dass der Erpresser sie wahr macht?«
    »Uns ist die Gefahr durchaus bewusst. Aber sie ist bisher nur eine Vermutung. Und wegen einer bloßen Drohung lassen wir uns nicht von einem Erpresser auf der Nase herumtanzen. Oder willst du?«
    »Du musst wissen, was du tust. Du leitest die Ermittlungen.«
    Brahe hatte bis jetzt schweigend zugehört. Nun ergriff er das Wort. »Ich weiß um Ihre Bedenken, Herr Daudert. Frau Faber und ich haben sie ausgiebig diskutiert. Wir haben alle Risiken abgewogen und sind der Meinung, dass die Internetübertragung unsere Arbeit in unverantwortlicher Weise behindert. Das ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko, während alles, was bisher von dem Erpresser kam, unbewiesene Drohungen sind. Wir sehen eine gute Chance, dadurch auch den Erpresser zu verunsichern, zumal er bisher keine Forderungen gestellt hat.«
    Die Gruppe wechselte in die Zentrale. Khalid ging zu seinem Computer, von dem aus er alles steuerte.
    »Die Kameras sind abgeschaltet«, meldete Khalid.
    Der Schall seiner Stimme war kaum verhallt, da erschien eine Schrift auf dem Monitor mit dem eingehenden Signal.
    SIE BRECHEN DIE REGELN
     
    Darunter stand in großen blutroten Ziffern die Zahl zehn. Die Schrift begann zu blinken. Aus der Zehn wurde eine Neun, dann eine Acht, eine Sieben.
    »Scheiße!«, entfuhr es Ellen. Das sah nicht nach Verunsicherung aus, eher nach jemandem, der sehr genau wusste, was er wollte, und der keinen Grund mehr zu Diskussionen oder Verhandlungen hatte. Ellen blickte sich nach Brahe um. Der starrte nur auf die Zahlen und rührte sich nicht.
    Sechs … fünf … vier.
    »Sofort wieder anschalten!«, befahl Ellen.
    Niemand rührte sich. Es war sowieso zu spät.
    Drei … zwei … eins.
    Der Monitor wurde schwarz. Es dauerte zwei Sekunden, bis der Knall einer Explosion die Zentrale erreichte.

10
     
    Von einem Moment auf den anderen wich die Lähmung einer überbordenden Hektik. Alle stürzten gleichzeitig zu den Fenstern und rissen sie auf.
    »Dahinten!«, rief Khalid. »Auf der Höhe des Luftbrückendenkmals.«
    Jetzt sah auch Ellen die Staubwolke, die aus der oberen Etage eines Parkhauses quoll. Es lag ungefähr fünfhundert Meter in Richtung des Flugbrücken-Denkmals am Rand des Tempelhofer Damms. In die Menge der Journalisten, die unten auf der Straße standen, kam Bewegung. Zwei Motorräder starteten mit durchdrehenden Reifen. Automotoren heulten auf. Und wer keinen fahrbaren Untersatz hatte, lief zu Fuß auf das Parkhaus zu.
    »Verdammt!« Ellen hatte keine Chance, vor den Journalisten dort zu sein. Bevor sie auch nur das Gebäude verlassen hatten, gingen bereits Live-Bilder vom Tatort über die Sender. Dutzende Journalisten würden alle Spuren zertrampeln. Und was würden sie dort vorfinden?
    Hoffentlich keine Leichen. Bloß das nicht!
    »Beordere alle verfügbaren Kräfte aus der Nähe zum Parkhaus!«, rief Ellen Stefan zu. »Die sollen die Presse da rausholen und das Parkhaus absperren. So schnell wie möglich.«
    Sie spurtete los. Selbst Direktor Brahe rannte mit, obwohl er bald hinter Ellen zurückfiel. Vor dem Eingang wartete schon ein Einsatzwagen auf sie.
    Als sie am Parkhaus ankamen, quoll immer noch Staub aus der oberen Etage, aber jetzt mischte sich schwarzer Rauch darunter. Polizisten, die die Journalisten zurückhalten sollten, waren noch keine da. In der Auffahrt kamen Ellen und die anderen mit ihrem Wagen kaum voran, trotz Blaulicht und Martinshorn. Überall liefen Leute. Entnervt stieg Ellen aus und rannte die letzten Etagen zu Fuß hoch. Wenn ihr jemand im Weg war, stieß sie ihn einfach beiseite. Auf dem letzten Stück presste sie sich ein Taschentuch vor Nase und Mund. Der Staub und Qualm bissen in ihrer Lunge. Auf der obersten Etage war der Strom ausgefallen. Scheinwerfer von Kameras leuchteten unruhig und verbreiteten ein gespenstisches Licht. Überall liefen Reporter herum und sprachen in Mikrofone oder Handys.
    »Raus hier!«, brüllte Ellen. »Bleiben Sie zurück!«
    Niemand hörte auf sie. Da, wo

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