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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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auch etwas Komisches.
    »Stellen Sie sich vor, er soll heute mit einem blauen Auge vor die Presse treten und zu den Ereignissen von gestern Stellung nehmen.«
    Ellen stellte es sich vor.
    Kronen beschleunigte seine Schritte. Brahe wurde blasser und blasser. Ellen stand zwischen Brahes Schreibtisch und der Tür und ließ Kronens Ausbruch über sich ergehen. Was sollte sie auch sonst tun? Sich auf eine einsame Insel wünschen? Krankmelden? Es gab nur die Möglichkeit, ihren Job aufzugeben oder weiterzumachen – und Aufgeben war nicht Ellens Ding.
    »Was hat der gestrige Tag eigentlich an Ermittlungsfortschritt gebracht?«, fragte Kronen schließlich. Dabei unterbrach er sein Hin-und-her-Gerenne.
    Da hatte er den wunden Punkt erwischt. Das Verhältnis vom Aufwand zum Ergebnis stand krass zu ihren Ungunsten. Viel zu krass.
    »Wir haben noch keine Ergebnisse der KTU«, sagte Ellen.
    »Die Sicherheit der Besucher in der Disco ging vor«, sagte Brahe, bevor Kronen sich beschweren konnte. »Danach hat der Sprengmeister viel Zeit für die sichere Bergung der Bombe benötigt. Die Örtlichkeiten in der Diskothek ließen einen Einsatz des Roboters nicht zu.«
    Kronen grunzte ärgerlich und ließ sich in einen Besuchersessel fallen. »Und der Einsatz von diesem Daudert?«
    »Er ist ohne Verluste abgelaufen«, sagte Brahe.
    »Ob er etwas gebracht hat, will ich wissen«, fuhr Kronen seinen Polizeidirektor an.
    »Die KTU arbeitet noch daran. Die Umstände sind für die Spurensicherung extrem schwierig.« Brahe sah Ellen an und dann auf seinen Monitor.
    Was wusste Brahe, das Ellen noch nicht erfahren hatte? Irgendetwas stimmte hier nicht.
    »Wissen Sie überhaupt etwas?« Kronen hieb mit der Faust auf die Glasplatte des Besuchertischs.
    Brahe schien auf seinem Schreibtischsessel immer kleiner zu werden. »Wir arbeiten Tag und Nacht«, murmelte er. Wer ihn ansah, glaubte es ihm aufs Wort.
    »Offensichtlich nicht gut genug. Es geht kaum voran.«
    »Der Fall ist äußerst ungewöhnlich«, warf Ellen ein. »Er passt in kein Schema, das wir kennen.«
    »Sie sind nicht dazu da, nach Schema F zu arbeiten. Ich erwarte Kreativität und Flexibilität – und vor allem Ergebnisse!« Kronen machte eine kurze Pause. »Was ist das überhaupt für eine dumme Einblendung ›Die Berliner Polizei wird unterstützt von Intelko‹, die auf der Übertragung zu sehen ist?«, fragte er dann plötzlich, als wäre das Thema ihm gerade erst wieder eingefallen. »Davon weiß ich gar nichts.«
    »Die Firma hilft uns, die Internetübertragung reibungslos aufrechtzuerhalten. Mit unseren Mitteln hätten wir das nicht geschafft. Ich habe das kurzfristig entschieden.« Ellen verschränkte die Arme vor der Brust.
    » Sie haben das entschieden?« Kronen schaute Ellen an, als wolle er sie mit seinen Blicken aufspießen. »Damit überschreiten Sie Ihre Kompetenzen. Was fällt Ihnen eigentlich ein? Sie haben kein Recht, irgendjemandem die Webseite der Berliner Polizei als Werbemedium zu gestatten.«
    Ellen ging zu dem zweiten Besuchersessel und setzte sich hinein. Sie sah Kronen ruhig in die Augen.
    »Was mir einfällt, wollen Sie wissen? Ich stehe an vorderster Front und versuche zu retten, was zu retten ist. Da habe ich keine Zeit für Kompetenzfragen. Hätte ich Sie in der Nacht anrufen sollen, damit wir das Problem bis zum Morgen gelöst haben? Es geht hier um Menschenleben. Um viele Menschenleben. Und die sind für mich wichtiger als ein blaues Auge. Selbst wenn es das blaue Auge des Innensenators ist.« Jetzt spießte Ellen den Polizeipräsidenten mit ihren Blicken auf.
    Kronen stand auf und sah Ellen aus zusammengekniffenen Augen an.
    Bevor Kronen etwas sagen konnte, stand Ellen auch auf. »Sie können mich jederzeit von dem Fall abziehen – wenn Sie jemand haben, der es besser macht.«
    »Ich werde darüber nachdenken«, sagte er.
    »Tun Sie das«, gab Ellen kühl zurück. »Und bis dahin werde ich meine Arbeit machen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen …«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie Kronen stehen und verließ Brahes Büro.
    Ellen ging ohne Umweg zu Sina ins Polizeilabor. Sie musste unbedingt wissen, warum die Ermittlungen für die Spurensicherung »extrem schwierig« waren, wie Brahe sich ausgedrückt hatte. Schwierig waren die Untersuchungen der SpuSi meistens.
    Schon von Weitem hörte Ellen Sina fluchen, und das durch die geschlossene Tür. Ellen zog sich einen Schutzanzug über mit Kapuze und Mundschutz. Dann trat sie ins Labor. An den

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