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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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SEK-Team?«
    »Ach die. Die haben wohl einen Fehler gemacht.«
    Ellen biss die Zähne so fest zusammen, dass es wehtat.
    »Sie machen so einen verkrampften Eindruck, Ellen. Sie sollten sich entspannen. Mir hat dieses Level sehr viel Spaß gemacht. Ich freue mich schon auf das nächste. Wir sprechen uns dann übermorgen Vormittag wieder. Sie werden sicher verstehen, dass ich ein paar Vorbereitungen für unser neues Spiel treffen muss. – Genießen Sie die Zeit bis dahin.«
    Das folgende Lachen hätte wohl diabolisch klingen müssen, aber es schepperte nur so künstlich wie zuvor.
    »Abschalten!«, befahl Ellen.
    Sekunden später waren Skype, das Internet, die Kameras ausgeschaltet. Die Mitarbeiter in der Zentrale redeten mit verhaltener Lautstärke. Ellen stand reglos in der Mitte.
    Brahe kam auf sie zu. »Ich danke Ihnen, Frau Faber«, sagte er.
    »Stefan …«
    »Wenn eine Katastrophe passiert wäre, hätte sich die Bereitschaftspolizei schon gemeldet. Aber das Wichtigste ist: Sie haben vielen Menschen das Leben gerettet.«
    »Ja«, sagte Ellen, »aber ich …«
    »Jetzt sind andere dran. Ich nehme die weiteren Schritte in die Hand. Gehen Sie nach Hause. Das ist eine Anordnung Ihres Vorgesetzten.«
    Ellen sah Brahe an. Brahe wirkte ehrlich besorgt um sie. »Danke.«
    Dann ging Ellen ohne ein weiteres Wort aus der Zentrale. Im Flur fing sie an zu laufen. Sie rannte durch das ganze Gebäude. Im Keller des LKA gab es einen Fitness-Raum. Um diese Zeit war er so gut wie ausgestorben. Ellen lief an den Geräten fürs Kardio-Training vorbei und an dem Abschnitt mit den Hanteln. Sie brauchte etwas anderes. Sie lief in die Ecke des Raums, wo der große Sandsack hing, sprang und trat mit aller Kraft dagegen. Sie streifte sich ein paar Handschuhe über und begann, auf den Sack einzudreschen. Sie trat, boxte und sprang immer wieder dagegen. Wäre der Sandsack lebendig gewesen, er hätte sein Leben innerhalb kürzester Zeit ausgehaucht.
    Ellen war immer noch in Fahrt, als sie eine Bewegung hinter sich bemerkte. Sina. Sie trug ein Bündel Kleider auf dem Arm, ihre Kleider.
    »Was willst du denn hier?«
    Sina hatte diese Art grober Begrüßung nicht verdient, aber Ellen war nicht nach Höflichkeit zumute.
    »Willst du so nach Hause gehen? Oder nachher durchs Präsidium laufen? Ich habe dir deine Sachen zum Anziehen gebracht. Ich habe mir gedacht, dass du hier bist.«
    Ellen blickte zur verspiegelten Wand hinüber. Dort sah sie eine fast nackte Frau mit vor Anstrengung rot angelaufenem Kopf, die Haare wirr durcheinander. Ihr ganzer Körper glänzte vor Schweiß.
    »Im Moment ist mir so ziemlich alles egal«, erwiderte Ellen.
    »Dein Tag war beschissen, aber der ist jetzt vorbei.«
    »In meinem Kopf noch lange nicht.«
    »Du hast heute eine Menge geleistet. Dem Erpresser so lange Widerstand zu leisten, war nicht einfach.«
    »Pah! Alles ist schiefgegangen. Nichts hat funktioniert.«
    »Ja, so etwas hatten wir noch nie.«
    »Das tröstet mich leider nicht.«
    »Daudert hat sich gemeldet. Es hat keine Verluste gegeben.«
    »Wenigstens ist diese Katastrophe ausgeblieben.« So gut die Nachricht war, Ellen fühlte sich kaum erleichtert. Sie war einfach zu ausgebrannt.
    »Die andere ausgebliebene Katastrophe darfst du nicht vergessen: In der Disco hat es keine Toten gegeben, noch nicht einmal Verletzte. Unser Team ist vor Ort, und die Räumung verläuft erstaunlich ruhig.«
    »Also keine Katastrophen – aber auch keine Fortschritte.«
    »Abwarten. Jetzt kommt mein Job. Deshalb habe ich auch nicht viel Zeit.« Sina legte das Kleiderbündel auf eine Bank.
    »Du rechnest mit Spuren?« Es war eine so alltägliche und normale Frage. Überhaupt tat das sachliche Gespräch mit Sina gut. Vor allem war sie ein Mensch und keine seelenlose Software-Stimme.
    Sina atmete tief aus und ein. »Es wird schwierig – wie eigentlich dauernd bei diesem Fall. In der Disco wird es eng mit Spuren. Zu viele Menschen. Es kann höchstens etwas an der Bombe selbst sein, aber wir wissen ja, wie sauber der Erpresser arbeitet. Vielleicht gibt uns die Art, wie er hereingekommen ist, einen Hinweis. Vielleicht hat ihn jemand gesehen.«
    »Mit anderen Worten: Ich soll mir besser keine großen Hoffnungen machen. Das ermutigt mich ungemein.« Ellen verpasste dem Sandsack einen linken Haken.
    »Ich bin ja noch nicht fertig«, sagte Sina. »Bei Daudert sieht es anders aus. Sie haben einen Raum gestürmt, in dem nur sie und der Erpresser waren. Ich bin sicher, dass ich da

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