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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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Wänden standen jede Menge technische Geräte, von denen Ellen nur das starke Lichtmikroskop und Gas-Chromatografen erkannte. Im Raum verteilt arbeiteten sieben Wissenschaftler, die in ihren Schutzanzügen alle gleich aussahen. Einzig Sina stach durch ihre runde Figur heraus, und weil sie beständig fluchte.
    Ellen ging zu ihr hin.
    Sina stocherte mit einem Stab in einer undefinierbaren breiigen Masse, die auf einem Labortisch ausgebreitet war und wie Erbrochenes aussah.
    »Was ist das?«
    »Unsere Ausbeute der letzten Nacht«, antwortete Sina.
    »Für mich sieht das aus wie Matsch. Ich kann da gar nichts erkennen.
    »Ich auch nicht«, sagte Sina. »Dabei stecken hier schon Stunden Arbeit drin.«
    Stunden? Das konnte sich Ellen beim besten Willen nicht vorstellen. »Was ist das denn?«
    »Komm mal mit.« Sina ging mit Ellen ein Stück zur Seite, zu einer Wand mit Fotos. »So eine Schweinerei habe ich noch nie erlebt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es in dem Raum ausgesehen hat, den Stefan und sein Team gestürmt haben. Sie haben beim Betreten drei Feuerlöscher ausgelöst. In Sekunden war alles voller Schaum, unsere Leute eingeschlossen.«
    Ellen wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Die Vorstellung, wie Stefan eingeschäumt wurde, war schon kurios. Aber für die Arbeit von Sina war der Schaum eine Katastrophe. »Das heißt, alle Spuren sind versaut?«, fragte sie.
    »Eine herkömmliche Spurensuche kannst du total vergessen. Der ganze Raum war ein einziger Matsch. Wir haben das Gröbste aufgekratzt, um es hier in Ruhe zu untersuchen, aber wie sollen wir aus diesem Haufen Partikel herausfiltern, die man dem Erpresser zuordnen kann? Ich habe meine Zweifel, ob die Arbeit was bringt.«
    Ellen teilte Sinas Zweifel. »In der Umgebung des Raums wird auch nicht viel zu holen sein, vermute ich.«
    Sina nickte. »Wo eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei herumgelaufen ist, sind auch die besten Spuren zertrampelt. Da brauchen wir gar nicht erst anzufangen zu suchen.«
    »Also wieder nichts? Das kann doch nicht sein. Irgendeinen Fehler muss der Erpresser doch machen.«
    »Hat er auch.« Sina ging mit Ellen zu einem anderen Tisch, an dem zwei weitere Kollegen etwas in einem Schraubstock fixierten. Sie gingen äußerst vorsichtig vor. Ellen erkannte zwei schwarze Handys, die auf eigenartige Weise miteinander verbunden waren.
    »Das hier haben wir gefunden«, berichtete Sina. »Zwischen den beiden Handys ist ein Röhrchen mit einer Flüssigkeit. Das sollte wohl kaputtgehen, wenn man die Handys trennt, und dabei mögliche Spuren beseitigen.«
    »Sprengstoff?«
    »Nein. Sonst würden wir nicht ohne Schutz daran arbeiten. Es enthält eine Säure. Wir werden das Röhrchen anbohren und die Säure absaugen. Dann können wir die Handys gefahrlos trennen und untersuchen.«
    »Also können wir zumindest auf irgendwas hoffen?«
    »Ja.«
    Einer der Wissenschaftler justierte einen Bohrer auf das Röhrchen.

28
     
    Als Ellen den Italiener betrat, kamen ihr zwei blonde Lockenköpfe entgegengestürmt, Hanna und Elias, die beiden Kinder ihrer Schwester. Hanna war fünf Zentimeter größer als ihr Bruder und liebte Pink über alles. Elias war die Farbe seiner Kleidung egal, Hauptsache, irgendwo war eine Comicfigur drauf.
    »Na, ihr? Schule schon aus? Wollt ihr mit uns mittagessen?«
    »Ja«, brüllten beide gleichzeitig. Dann nahmen sie Ellen bei der Hand, jeder an einer Seite, und zogen sie zu einem Tisch an der Seitenwand. Dort saß Annika und beobachtete die Szene.
    »Deine größten Fans«, sagte sie.
    »Offensichtlich. Ach, es tut gut, euch zu sehen. Ich musste mal rauskommen aus dem Laden. Du ahnst nicht, was bei uns los ist.« Ellen ließ sich auf einen freien Stuhl fallen.
    »Erzähl mal«, forderte Annika Ellen auf, aber dazu kam sie nicht.
    »Ich will Spaghetti mit Tomatensoße«, sagte Hanna. »Und eine große Sprite.«
    »Ich auch«, sagte Elias. Er nahm eigentlich immer das, was seine große Schwester wollte.
    Annika wählte einen Salatteller, und Ellen entschied sich für eine Lasagne. Bis das Essen kam, war kein ernsthaftes Gespräch zwischen ihr und Annika möglich. Hanna und Elias erzählten abwechselnd von der Schule, wobei keiner den anderen wirklich ausreden ließ. Ellen hörte einfach nur zu. Sie mochte die beiden sehr. Die Geschwister strahlten eine natürliche Fröhlichkeit aus, und ihre Welt war noch so überschaubar. Und bei ihrer Begeisterung konnte man alles andere fast vergessen.
    »… und morgen

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