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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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hineingefressen. Und konnte es überhaupt noch schlimmer kommen, als es schon war? »Wir haben weniger Saatgut kaufen können. Dafür haben wir etwas von der letzten Ernte zurückbehalten und untergemischt.«
    »Was verboten ist.«
    »Ja. Aber was sollten wir tun? Wir müssen doch etwas säen. Sonst können wir nicht leben.«
    Ellen nickte verständnisvoll. »Aber wenn ihr gesät habt, warum ist dann nichts aufgegangen? Eure Felder sind leer.«
    Danutas Tränen wurden zu zwei kleinen Bächen. Zwischen ihrem lauten Schluchzen konnte Ellen Danutas »Ich weiß es nicht« kaum noch verstehen. Es dauerte, bis sie sich so weit gefangen hatte und weitersprach.
    »Andreas hat gesät. Ganz bestimmt. Es ist einfach nichts draus geworden. Vielleicht wollte Gott uns strafen.«
    Ellen war klar, dass die Existenz der Schusters auf dem Spiel stand. Sie waren durch die Tücken des Patent- und Vertragsrechts in eine ausweglose Lage geraten, weil eine Firma ihre Aktionäre mit steigenden Gewinnen beglücken wollte und ihr dazu jedes Mittel recht war. Aus Verzweiflung und Liebe zu seiner Familie hatte sich Andreas über die Verträge hinweggesetzt – einfach nur dadurch, dass er das getan hatte, was jeder Bauer seit Jahrtausenden tat: etwas von der Ernte für das nächste Jahr aufheben.
    »Terminator-Saatgut«, platzte Sina in Ellens Gedanken.
    »Was redest du da?«
    »Terminator-Saatgut, habe ich gesagt.«
    »Das habe ich verstanden, aber was soll das? Wir sind hier nicht in einem Film.«
    »Terminator-Saatgut nennt man Saatgut, das gentechnisch so verändert ist, dass man es nur einmal verwenden kann.«
    »Erklär mal genauer.«
    »Das Normale geht so: Du säst ein Korn, es wächst ein Halm mit zwanzig Körnern dran. Davon verkaufst du neunzehn und behältst das eine, um es wieder zu säen. So geht es jedes Jahr. Terminator-Saatgut geht so: Du säst ein Korn, es wächst ein Halm mit zwanzig Körnern dran. Davon verkaufst du neunzehn und behältst das eine. Aber wenn du es säst, ist Schluss. Aus. Ende. Deshalb ›Terminator‹. Das Korn sieht genauso aus, wie alle anderen, aber es ist im Prinzip tote Saat. Andreas Schuster hat gesät – aber seine Saat ist im Boden verfault.«
    Ellen verfolgte Sinas Erklärung mit wachsendem Entsetzen. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass es technisch möglich war, wenn Sina es sagte. »Und das ist erlaubt?«
    Sina schüttelte den Kopf. »Das hätten die Firmen gerne. Dann wären ihnen die Bauern ganz ausgeliefert. Aber das Terminator-Saatgut ist verboten. Noch.«
    »Warum haben sie es dann verkauft? Niemand kann so dumm sein und denken, dass dieses Terminator-Saatgut nicht irgendwann auffliegt.«
    »Vielleicht war es eine Panne. Vielleicht steckt mehr dahinter. Das ist ein offener Punkt, aber es würde alles erklären, sogar die abgebrannte Scheune. Schuster hat sie aus Angst vor den Männern geputzt, damit sie ihm seinen Schwindel mit dem Saatgut nicht nachweisen können. Das war jetzt nicht mehr sauber genug. Die Männer wissen über Schuster Bescheid und fürchten kriminaltechnische Methoden. Sie mussten die Spuren radikaler vernichten. In diesem Geschäft geht es um Milliarden. Sehr viele Milliarden. Da vergessen manche Leute ihre Skrupel.«
    »Das klingt alles plausibel. Leider haben wir keinen einzigen Beweis.« Ellen seufzte innerlich.
    Diese Schwierigkeit begegnete einem immer wieder im Polizeidienst. Man wusste ziemlich genau, wer der Täter war, aber ohne Beweis war dieses Wissen wertlos. Ellen hatte dann den ganzen ihr zur Verfügung stehenden Polizeiapparat darauf angesetzt, diesen entscheidenden Beweis zu finden.
    Und heute? Sie kämpfte allein, von Sina abgesehen. Sie konnte weder Mittel noch Menschen einsetzen. Trotzdem musste etwas geschehen. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie erst an der Spitze des Eisbergs gekratzt hatte.
    Soll ich doch versuchen, Rux zu überzeugen?
    Als ob Rux Ellens Gedanken hätte lesen können, kam er gerade in diesem Moment herein, gefolgt von einem Feuerwehrmann. Beide hinterließen mit jedem ihrer Schritte einen schmutzigen Abdruck auf dem Fußboden, was sie aber nicht im Geringsten zu stören schien. In der Hand hielt Rux einen Plastikbeutel, wie sie bei der Spurensicherung verwendet wurden. Ellen konnte nicht erkennen, was darin war.
    »Frau Faber, warum treffe ich Sie immer da, wo etwas Dramatisches passiert?«, begann Rux ohne jegliche Einleitung.
    Ellen zuckte die Schultern. »Das wüsste ich auch gerne.«
    »Was wollten Sie hier?«, schoss Rux seine

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