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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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kleinsten Essgeräusche wahrnehmen.
    »Du bist aber auch gar nicht zufriedenzustellen. Damals, als dich alle Welt gesehen hat, hast du dich beklagt. Und jetzt, wo dich niemand sieht, beklagst du dich auch.« Ihr Gegenüber lachte leise. »Soso, du brauchst meine Hilfe. Erstaunlich. Vor Kurzem wolltest du mich noch jagen. Bis ans Ende der Welt, stimmt's?«
    »Die Zeiten haben sich geändert.«
    »Dann überzeuge mich. Die kleine Herausforderung mit der Lautstärke musst du meistern. Nutze deine Chance, jetzt oder nie.«
    Ellen hörte, wie er einen Schluck Kaffee trank. Sie beugte sich so weit vor, wie es ging, und flüsterte leiser, als sie es jemals getan hatte. »Der Aufruhr in Berlin und anderen Städten, die rasant steigenden Lebensmittelpreise, ich kenne die Ursache, aber ich kann nichts dagegen tun. Man hat mir meine Beweise gestohlen und verfolgt mich. Sogar die Polizei ist hinter mir her.«
    »Das ist tragisch, aber was habe ich damit zu tun? Für die Ordnung in diesem Land ist die Staatsmacht zuständig. Oder hast du etwa das Vertrauen in deine Exkollegen verloren?«
    Ellen hörte den Spott in seiner Stimme. »Über meine Exkollegen können wir später diskutieren. Jetzt brauche ich jemand, der sich für klüger als die Staatsmacht hält.«
    »Nur dafür hält? Du enttäuschst mich. Bis jetzt war ich klüger. Sie würden mich ja gerne auf ihre Fahndungsliste setzen, aber sie wissen nicht, was sie draufschreiben sollen. Unbekannter Mann mit unbekanntem Aussehen gesucht, klingt nicht so toll.« Er lachte wieder. Dann beugte er sich vor. Sein Gesicht musste jetzt ganz dicht vor Ellens sein. Sie spürte die Wärme, die es ausstrahlte. »Bei dir ist das ganz anders. Du stehst auf dieser Liste. Sie haben deinen Namen, sie haben dein Foto – und bald haben sie auch dich. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätten sie dich schon.«
    »Ist es das, was du willst? Dass sie mich kriegen? Das glaube ich nicht.«
    »Was glaubst du dann?«
    »Ganz einfach. Ich glaube, dass du mir helfen wirst.«
    »Oha. Was verleitet dich zu dieser kühnen Annahme? Wenn ich dir helfen würde, riskiere ich alles. Ich hasse enge Zellen. Mir geht es gut, im Gegensatz zu dir. Warum sollte ich meine Freiheit für dich aufs Spiel setzen?«
    »Das erkläre ich dir später.« Ellen lehnte sich zurück und sprach etwas lauter in s Dunkel hinein. »Sahin, würden Sie mich bitte zu den Toiletten führen?«
    Einen Atemzug später stand Sahin neben ihr und berührte sie am Arm.
    Ellen war sich sicher, dass der Erpresser in diesem Stadium des Gesprächs noch nicht gehen wollte . Sie bat Sahin, vor den Toiletten zu warten. Damit war sie sicher, dass der Mann auch nicht gehen konnte . Ohne Hilfe durch seinen Guide kam man aus der Dunkelheit nicht heraus.
     
    Beim Rückweg von der beleuchteten Toilette war die Umstellung auf die absolute Dunkelheit nicht mehr ganz so krass. Ellen wusste, was sie erwartete – und sie wusste, was sie vorhatte.
    »Sahin, darf ich das letzte Stück zu meinem Platz allein gehen?«
    Sahin zögerte. Allein zu gehen war gegen die Regeln.
    »Nur zwei Meter«, bat Ellen. »Ich möchte lernen, mich ohne Augen zurechtzufinden.«
    »Zwei Meter, ja. Aber ich bin in Ihrer Nähe.«
    »Danke.«
    Sahin stoppte. »Wir sind gleich da. Machen Sie jetzt vier kurze Schritte, aber langsam.« Er ließ Ellen los.
    Ellen ging – drei Schritte. Sie rief sich in Erinnerung, wie sie aufgestanden war und was sie vorher vom Tisch ertastet hatte. Sie tat einen Schritt nach rechts und dann drei vor und dann wieder einen nach links. Ellens Turnschuhe verursachten keinerlei Geräusch. Sich leise fortzubewegen hatte Ellen gelernt. Jetzt musste sie hinter dem Erpresser stehen.
    Tatsächlich spürte sie einen Körper vor sich. Gerade stellte der Erpresser seine Tasse ab. Er ahnte nichts.
    Ellen legte ihm die Hände auf die Schultern, beide Daumen in seinem Nacken.
    Der Mann zuckte zusammen.
    Ellen beugte sich vor, wobei sie leichten Druck auf den Nacken ausübte. »Keine Bewegung. Kein Wort!«, flüsterte sie direkt in sein Ohr.
    Der Mann rührte sich nicht.
    »Verstanden?«, fragte Ellen leise, aber streng.
    »Ich alles in Ordnung?«, fragte Sahin, der irgendetwas gehört haben musste.
    »Alles bestens«, sagte Ellen. »Ich bin gut angekommen.«
    Ihr Erpresser sagte nichts. Ellen kniff ihn ins Ohr.
    »Ja, ist alles gut«, sagte er jetzt.
    Dieser zögerlichen und heiseren Antwort hätte Ellen kein Wort geglaubt, aber Sahin war anscheinend zufrieden, denn er

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