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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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verfolgen. Ohne meine Hilfe bist du aufgeschmissen. Wenn ich dir aber helfe, riskiere ich eine ganze Menge. Ich riskiere, aufzufliegen und den Rest meines Lebens auf ein paar wenigen Quadratmetern zu verbringen. Dabei hasse ich Zellen, musst du wissen. Das Beste für mich wäre, dich aussteigen zu lassen, davonzufahren und meine Freiheit zu genießen.«
    Genauso war es. Hajo hatte es auf den Punkt gebracht, da machte Ellen sich nichts vor. Sie konnte nur hoffen, dass ihre und Marinas Analysen zutrafen.
    »Ich nenne dir drei Gründe, warum du mir helfen solltest. Du kannst dir einen davon aussuchen. Erstens, du tust eine gute Tat, endlich mal was Richtiges für andere Menschen. Wenn wir das hier durchziehen und das Chaos in der Stadt beseitigen, kann ich ein gutes Wort für dich einlegen. Vielleicht wird man die Anklage gegen dich fallen lassen, und du bist ein freier Mann.«
    Hajo machte einen betont gelangweilten Gesichtsausdruck. »Für gute Taten sind deine Exkollegen und die ach so wichtigen Politiker zuständig. Gute Taten sind nicht mein Job, und freier, als ich jetzt bin, kann ich nicht mehr werden. Ich hoffe, deine nächsten Gründe sind besser, sonst kannst du schon mal die Tür aufmachen.«
    »Zweitens. Du kannst ein neues Spiel spielen, ein gefährliches Spiel gegen übermächtige Gegner. Du kannst beweisen, dass du besser bist als dieser Hasels. Das willst du doch, es allen zeigen. Du kannst dir einen neuen Kick besorgen, weil dir alles andere langweilig geworden ist. Den brauchst du, richtig?«
    Hajo sah Ellen an. »Das hat dir diese Wirtz in den Kopf gesetzt, diese Psychologin.«
    »Wenn es wahr ist, spielt das doch keine Rolle. Ist es wahr?«
    »Der dritte Grund«, sagte Hajo, ohne einen Blick von ihr zu wenden.
    Ellen holte tief Luft. »Dass ich in deiner Nähe bin. Wir zwei sind ein Team.«
    Hajos Blick wurde durchdringender. Ellen konnte sich nicht erinnern, jemals so angesehen worden zu sein. Sie hielt seinem Blick stand. In seinen Augen sah sie, wie es in dem Gehirn dahinter arbeitete.
    Die Zeit verstrich.
    Nach endlosen Minuten startete Hajo den Wagen. »Wir brauchen einen Plan.«

20
    Der Durchgang zum Hinterhof führte in eine andere Welt. Der Putz an den Fassaden abgebröckelt, die Farbe an den Fensterrahmen nur noch stellenweise zu erahnen. Vor Jahrzehnten mochte hier Gewerbe angesiedelt gewesen sein. Autoreparatur, tippte Ellen. Darauf deuteten mehrere Einfahrten hin, die in etwas führten, was eine winzige Halle mit Hebebühne gewesen war.
    Hajo steuerte das Taxi in eines dieser dunklen Löcher. Beim Aussteigen schwappte Ellen eine Woge Luft entgegen, die intensiv nach altem Öl roch. Hatte Hajos Taxi draußen auf Ellen einen alten und abgenutzten Eindruck gemacht, wirkte es in dieser Umgebung fast neu.
    »Wohnst du hier?«, fragte Ellen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass hier Menschen lebten.
    »Nein, wir müssen in den nächsten Hinterhof.«
    Ellen folgte Hajo in einen Durchgang, der aus unverputzten Mauersteinen bestand. Sie kamen in etwas, das n och maroder und verfallener war als der Hof eben. Aber hier wohnten eindeutig Menschen. Eine Gruppe junger Männer stand um ein verbeultes Fass und rauchte, aus mehreren Fenstern sahen Köpfe auf die Neuankömmlinge herab. Jemand rief etwas in einer Sprache, die Ellen nicht verstand, irgendwas Asiatisches. Die jungen Leute lachten. Hätte man Ellen hierhergebeamt, sie hätte vermutet, in einer abgelegenen Stadt irgendwo in der Dritten Welt materialisiert zu sein. Dabei befand sie sich mitten in Berlin. Berlin-Gesundbrunnen hieß das Viertel, wobei der Name die Lebensbedingungen geradezu verhöhnte.
    Hajo führte sie durch eine Tür, bei der Ellen sich wunderte, dass sie noch aufging. Dann stiegen sie ausgetretene Stufen hinauf, vorbei an Türen, hinter denen Kindergeschrei zu hören war und vor denen Mülltüten standen. Das einzige Licht im Treppenhaus fiel durch ein paar blinde Scheiben unter dem Dach.
    Ganz oben, vor einer beschmierten Tür, machte Hajo halt. Hier ging es nicht mehr weiter. Ellen wunderte sich, was Hajo mit dem Schlüssel wollte, den er aus der Tasche zog. Das Schloss war mit Kratzspuren übersät und durch Schläge mit einem Hammer so unbrauchbar, dass es unmöglich funktionieren konnte. Der Schlüssel gehörte dann auch nicht zur Tür.
    Hajo schob eine Latte zur Seite, steckte den Schlüssel in etwas, das wie eine Geldkassette aussah, und konnte dann den Deckel öffnen. In der Kassette befand sich ein

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