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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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rührte sich nicht.
    »Gut so. Und ruhig bleiben«, flüsterte Ellen. »Dann geschieht dir nichts.«
    Der Mann nickte kaum merklich.
    Ellen wusste, wie man mit kleinsten Handgriffen Schmerzen zufügen und jemand unter Kontrolle halten konnte, aber das war hier nicht nötig. Sie konnte im Nacken fühlen, wie sich die Muskeln des Mannes vor Anspannung versteiften. Er würde niemals so schnell aufspringen können, dass sie nicht rechtzeitig reagieren konnte.
    Ellen strich mit ihren Händen über seine Schultern und dann die Arme herab. E r trug ein kurzärmeliges Poloshirt. Als sie vom Stoff auf die Haut kam, zuckte er zusammen. Ellen war überrascht, wie schnell die Verwandlung von einem aktiven, intelligenten und fast schon herablassenden Verhalten zu einem passiven, eingeschüchterten Dasitzen geschehen konnte. Und das bloß, weil jetzt nicht mehr er, sondern sie die Kontrolle hatte.
    Sie betastete seine Oberarme. Wie sie schon auf Mallorca anhand seiner Haltung vermutet hatte , war die Muskulatur zwar potenziell vorhanden, aber vollkommen untrainiert. In einer körperlichen Auseinandersetzung wäre er ihr hoffnungslos unterlegen. Die lag aber absolut nicht in der Luft. Die wenigen Muskeln verfestigten sich immer mehr.
    Ellen fuhr ihm durch die Haare, fühlte die Festigkeit und Länge und schätzte die Frisur ab.
    Sie beugte sich wieder zu seinem Ohr. »Der Taxifahrer, das warst du, stimmt's?«
    Der Mann schwieg, aber das Zucken in seinem Nacken war Ellen Antwort genug.
    »Es stimmt«, sagte Ellen. »Dein Geheimnis ist entdeckt. Ich weiß, wie du aussiehst.«
    Der Mann saß da wie zu einer Bronzestatue erstarrt.
    »Was ist los mit dir?«, flüsterte Ellen weiter. »Ist es so schlimm, dass ich es weiß? Oder ist es, dass ich jetzt die Regeln bestimme? Du magst nicht, wenn ein anderer die Regeln bestimmt, das weiß ich.«
    Ellen fuhr mit einer Hand sanft über sein Gesicht.
    »Oder ist es, dass dich eine Frau streichelt?«
    Sie rückte so nahe an sein Ohr, dass ihre Lippen es berührten. »Oder ist es, weil ich dich berühre?«
    Die Bronzestatue begann zu zittern.
    Marina hatte recht gehabt. Es gab etwas, dass ihn mit Ellen verband. Sie würde herausfinden, was. Später. Jetzt hatte anderes Priorität.
    Ellen strich über seine Wange. Der Mann ließ es widerstandslos geschehen.
    »Ich heiße Ellen. Wie heißt du?«
    Es dauerte einen Moment, bis er ein leises »Hajo« sagte.
    Ellen richtete sich auf, wobei sie eine Hand in seinem Nacken ließ, ganz locker, wie bei einem Freund.
    »Hajo, wir sollten jetzt gehen und uns woanders weiter unterhalten.«
    Hajo stand auf.
    »Sahin, würdest du uns bitte hinausführen«, sagte Ellen in die Dunkelheit.
    Durch ihre Worte wusste Sahin, wo Ellen stand. Er kam zu ihr und berührte sie am Ellenbogen. Ellen hakte sich bei Hajo ein.
    »Komm mit!«

19
    Der rote Honda bewegte sich rhythmisch auf und ab. Außenstehende hätten sich denken können, was hinter den Scheiben abging, aber es gab hier keine Beobachter. Der abgelegene Parkplatz wurde häufig von verliebten Pärchen aufgesucht, aber um diese Uhrzeit war außer den Geschehnissen im Honda nichts los. Ellen und Hajo parkten in einem schwer einsehbaren Winkel am anderen Ende des Parkplatzes. Keiner von beiden dachte an Sex.
    Hajo sah durch die Windschutzscheibe nach draußen, als ob die herumliegenden Plastiktüten in den verwilderten Büschen eine besondere Sehenswürdigkeit wären. Dabei umfasste er mit ausgestreckten Armen das Lenkrad wie in der ersten Fahrstunde. Ellen saß auf dem Beifahrersitz, lässig gegen die Tür gelehnt, ein Bein untergeschlagen, und beobachtete ihn.
    Das war er also der Erpresser, der ganz Berlin in Atem gehalten hatte, der die besten Leute des lka und des bka zum Narren hielt, der den jetzigen Leiter der sek s bis auf die Knochen blamiert und die Spurensicherung zur Verzweiflung getrieben hatte. Wenn sie ihn so sah, konnte sie es kaum glauben. Er wirkte immer noch wie hypnotisiert. Sie musste ihm einen gehörigen Schock versetzt haben.
    Ellen lächelte. Es war so einfach gewesen. Sie hatte ihn jagen wollen , und jetzt hatte sie ihn tatsächlich eingefangen. Es war ganz anders gewesen, als sie sich das je ausgemalt hatte, aber das war im Prinzip egal. Sie hatte ihn und sie würde ihn nicht so schnell wieder laufen lassen. Vor ihr lagen eine Menge Herausforderungen. Sie hatte viele Fragen, und dann gab es auch noch einige offene Rechnungen. Niemand erpresste sie ungestraft.
    Er sah so blass aus, wie man

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