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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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Sonnenbrille auf. Fünfunddreißig Sekunden später schlappte Ellen auf Flip-Flops in den Technikraum.
    Fünfunddreißig Sekunden waren zwar noch zu viel, aber päpstlicher als der Papst wollte Ellen nun auch nicht sein. Im Ernstfall würde sie sicher noch etwas Gas geben können, dann würde sie die Bluse auch nicht aufknöpfen, sondern einfach herunterreißen. Ihrer Meinung nach war damit ein Meilenstein in ihrem Plan erreicht. Jetzt konnte es weitergehen.
    Als Hajo gesagt hatte »Wir brauchen einen Plan«, hätte Ellen vieles für möglich gehalten, aber nicht das, was jetzt vor ihr an der Wand hing. Eigentlich hing es gar nicht an der Wand, sondern machte sie ganz aus. Ein Plan war für sie immer eine Idee gewesen, die in ihrem Kopf existierte oder bestenfalls als Stichworte auf einem Flipchart. Wenn Hajo »Plan« sagte, meinte er quadratmetergroße Computerausdrucke, mit denen er die Wände tapezierte. Es gab einen kritischen Pfad mit Meilensteinen und endlosen Verzweigungen, in denen er die unmöglichsten Verwicklungen berücksichtigte. Potenzielle Fehlerquellen und kritische Situationen waren gesondert markiert. Und, typisch Hajo, gab es tatsächlich immer einen Plan B für Notfälle.
    Diesen wandgroßen Plan vor Augen , wunderte Ellen sich nicht mehr, dass selbst das bka Hajo nicht gefasst hatte. So etwas hatte niemand auch nur geahnt.
    Um einen Meilenstein zu erreichen, benötigte man Ressourcen und musste Aufgaben erledigen. Die Ressourcen für den ersten Abschnitt waren die Verkleidungen, die Ellen benötigte. Hajo hatte sie besorgt, weil Ellen das Haus noch nicht ungefährdet verlassen konnte. Ihre Aufgabe bestand darin, so lange zu trainieren, bis das Zeitlimit erreicht war.
    Ellen nahm einen großen roten Punkt und klebte ihn auf den Meilenstein »Unsichtbar werden in dreißig Sekunden«. Erledigt. Damit war die Zeit reif für den nächsten Schritt. Das einzige Problem dabei war: Hajo war verschwunden. Ohne ihn konnte sie nicht weitermachen.
    Am ersten Tag hatten sie mehrere Stunden miteinander geredet. Dann hatte er sich hingesetzt und eine Nacht und einen halben Tag an seinen Computern gearbeitet, ohne ein einziges Wort zu sagen. Herausgekommen war der Plan an der Wand. Nach einer kurzen Erklärung war er wieder gegangen und hatte ihr am Abend mehrere große Tüten mit Kleidung vorbeigebracht. Das war jetzt drei Tage her, in denen sie nichts von ihm gesehen oder gehört hatte. Die einzige Abwechslung war der Monitor, über den Ellen fernsehen konnte. Die Nachrichten trugen wenig zu ihrer Beruhigung bei. Die Lage in Berlin eskalierte, die Plünderungen von Geschäften nahmen zu, ebenso die Zahl der angesteckten Autos. Ein Dutzend pro Tag war schon normal.
    Ellen hielt es kaum noch aus in der Wohnung, es musste endlich weitergehen. Aber dann gab es da noch diese Fahndungsmeldung in tv  Berlin. An prominenter Stelle in den Nachrichten hatten sie Ellens Foto gezeigt und um Hinweise aus der Bevölkerung gebeten. Gleichzeitig hatten sie vor ihr gewarnt, sie sei gefährlich. Ellen konnte es kaum fassen. Dahinter konnte nur Stefan Daudert vom lka stecken. Was dachte der sich eigentlich? Hielt er sie wirklich für eine Verbrecherin, oder war das für ihn wieder nur eines seiner üblen Machtspiele? Das war noch ein Grund mehr, endlich hier rauszukommen und aktiv zu werden. Aber auch ein Grund mehr, vorsichtig zu sein.
    War es doch besser, auf Hajo zu warten? Dummerweise hatte Ellen überhaupt keine Idee, wann er wiederkommen würde. Er war nicht der kommunikative Typ und kannte es wahrscheinlich gar nicht, auf jemand anderes Rücksicht zu nehmen oder sich abzusprechen. Er war ein Einzelgänger, was Ellen nicht weiter verwunderte. Dass er nicht wirklich hier wohnte, war ihr nach wenigen Minuten in der Wohnung klar gewesen. Bei ihrer späteren Inspektion hatte sich der Verdacht bestätigt. Die Einrichtung, der Staub, die vorhandene Kleidung, alles hinterließ den Eindruck, dass Hajo diese Wohnung nur gelegentlich nutzte. Wahrscheinlich war sie nur Standort B. Das würde gut zu Hajo passen.
    Das hieß folglich, dass es ei nen Standort A geben musste, Hajos wirkliche Wohnung. Oder ein Haus? Wahrscheinlich, fand Ellen. Wenn das hier nur eine Nebenstelle war, wie war dann das Haus eingerichtet? Und erst abgesichert? Bei diesem Gedanken lief Ellen eine Gänsehaut über den Rücken. Sie wagte es kaum, sich vorzustellen, was sein könnte, wenn die Polizei Hajos Hauptsitz ausfindig machte und ihn dort in seinem

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