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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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im Abstand von einem Meter.
    »Aber aufs Klo gehe ich alleine«, sagte Veritatis bissig, als sie vor der Kabine ankamen.
    »Wir machen das nur zu Ihrem Schutz«, sagte Alexej. Dann ging er in die Kabine und sah sich um. Ein Fenster gab es nicht, nur einen zehn Zentimeter großen Luftabzug in der Decke. Nachdem Alexej auch die Nachbarkabinen überprüft hatte, sagte er: »Los.«
    Veritatis knallte die Tür hinter sich zu und setzte sich wütend. Pinkeln auf »Los«, das war die Höhe. Durch den breiten Schlitz unter der Tür sah er die Füße von Alexej, die wirkten, als wären sie auf dem Boden festgeklebt.
    Veritatis konnte nicht, obwohl er musste.
     
    Mit einem bösen Blick auf Alexej startete Veritatis seinen Rundgang durch die Labore und Büros. Er hätte sich ein etwas dezenteres Auftreten von Alexej gewünscht, aber Zurückhaltung schien für den ein Fremdwort zu sein. Wo es erforderlich war, stellte Veritatis seinen Begleiter als Vertreter eines wichtigen Kunden vor, der ihr Institut kennenlernen wollte. Der erste Teil entsprach sogar der Wahrheit, während der zweite geradezu lächerlich war. Jeder konnte sehen, dass Alexej sich für nichts interessierte. Wahrscheinlich sah man ihm sogar an, dass er rein gar nichts von dem verstand, worum es in den Laboren ging. Das war Veritatis egal. Er war mit seinen Gedanken woanders und hörte auch nur halb zu, wenn seine Mitarbeiter über den aktuellen Status berichteten. Seine Gedanken wanderten zwischen Michelle, Alexej und Hasels hin und her. Er fand keine Lösung.
    Zwölf Uhr sechsunddreißig. Charlotte Hilfrich, die Doktorandin, die Veritatis gestern Abend angerufen hatte, sah während ihres Berichts immer wieder auf die Uhr an der Wand, unbemerkt, glaubte sie wohl. Veritatis bemerkte es doch, und er spürte ihre Ungeduld. Hatte sie vielleicht ein Date in der Mittagspause? Es war ihm egal.
    Neben Veritatis zog Alexej sein Handy aus der Tasche. Veritatis hatte keinen Klingelton gehört, wahrscheinlich hatte Alexej auf Vibrationsalarm geschaltet. Alexej sah auf das Display und machte ein überraschtes Gesicht.
    »Etwas, das ich wissen sollte?«, fragte Veritatis gereizt.
    » sms von Hasels. Einsatz beendet.« Ohne ein weiteres Wort drehte Alexej sich um und ging.
    Erst als der Russe die Labortür hinter sich schloss, begriff Veritatis die Konsequenzen. Er war frei. Veritatis sah auf die Uhr: zwölf Uhr neununddreißig. Es könnte noch funktionieren.
    »Danke für Ihren Bericht, Frau Hilfrich«, rief Veritatis, während er unterwegs zum Ausgang war. Auf dem Weg in die Tiefgarage tippte er hastig eine sms : Ich komme. Adressat: Michelle.
    Mit nur fünfminütiger Verspätung parkte Veritatis seinen Audi auf dem Parkplatz des Airporthotels. Er kannte sich aus und musste nicht suchen. Das Hotel lag nicht allzu weit von seinem Institut entfernt, was für spontane Treffen äußerst nützlich war. Er hatte sich immer mit Michelle hier getroffen.
    Veritatis fühlte sich leicht, so als ob mit Alexej gleichzeitig eine Menge weitere Probleme aus seinem Leben verschwunden wären. Als er durch die Tür in die Bar trat und an einem der hinteren Tische die langen roten Haare entdeckte, kehrte das Kribbeln in seinem Schritt zurück. Ja, das Leben war wieder gut zu ihm.
    Michelle wandte ihm den Rücken zu. Wegen einer winzigen Drehung ihres Kopfes bewegten sich ihre Haare leicht. Was für ein Traum. Um Michelle zu überraschen, machte Veritatis einen Bogen um ein paar Sitzgruppen. Er schl ich sich an wie ein verliebter Teenager.
    Als er hinter Michelle angekommen war, beugte er sich etwas herab. Der Duft ihres Parfüms stieg ihm in die Nase und weckte Erinnerungen an heiße Nächte. Er selbst hatte es ihr geschenkt. Veritatis sagte leise: »Da bin ich.«
    Michelle drehte sich um.
    »Sie?«, sagte Veritatis fassungslos.

28
    Ellen hatte sich bewusst so hingesetzt, dass sie dem Eingang den Rücken zukehrte. Sie wollte Veritatis so lange wie möglich in dem Glauben lassen, ein Date mit Michelle zu haben. In einer verspiegelten Säule beobachtete sie, wie Veritatis sich anschlich.
    Ellen schmunzelte. Veritatis fiel tatsächlich wieder auf die roten Haare herein. Sie bewegte ihren Kopf ein wenig, sodass die Haare leicht hin und her schwangen. Veritatis wurde von ihr angezogen wie ein Fisch von einem verführerischen Köder. Leider konnte sie ihm den schmerzhaften Biss in den Angelhaken nicht ersparen. Als sie sich umdrehte, entgleisten Veritatis' Gesichtszüge.
    »Sie?«, sagte

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