Zehnter Dezember: Stories (German Edition)
Haus?
Ich: Wir verlieren nicht unser –
Pam: Ach, glaubst du nicht? Was meinst du wohl, was passiert, wenn du jemandem neun Riesen schuldest und nicht bezahlen kannst? Ich glaube, wir verlieren das Haus.
Ich: Hört mal, beruhigen wir uns lieber, wir müssen doch jetzt nicht so –
Eva hat Unterlippe vorgestülpt, Prä-Weinen. Denke: Na toll, tolle Erziehungsberechtigte, streiten + fluchen + Teufel namens Hausverlust an Wand malen vor supergestressten Kindern, die von aufwühlenden Ereignissen des Tages schon fertig sind.
Dann bricht Eva in Tränen aus und murmelt, Tschuldigung Tschuldigung Tschuldigung.
Pam: Ach Schatz, ich war doch bloß albern, wir werden das Haus nicht verlieren. Mommy und Daddy würden das nie –
Mir geht Licht auf.
Ich: Eva. Du hast doch nicht.
Blick in Evas Augen sagt: Hab ich doch.
Pam: Was?
Thomas: Eva war’s?
Lilly: Wie denn? Sie ist erst acht. Ich könnte nicht mal –
Eva führt uns nach draußen, zeigt uns, wie sie es gemacht hat: Stehleiter rausgezerrt, am einen Ende der Mikroleitung hochgestiegen, linken Schnelllösehebel gelockert, Mikroleitung hing durch. Dann Stehleiter zum anderen Ende gezerrt, rechten Schnelllösehebel gelockert. Da war Mikroleitung komplett frei, SG s standen am Boden.
SG s beraten sich kurz.
Und sind weg.
Bin so wütend. Eva hat Riesenschlamassel angerichtet. Riesenschlamassel für uns, ja, und auch für SG s. Wo sind sie jetzt? An gutem Ort? Ist es gut, wenn illegale Flüchtlinge in fremdem Land kein Geld, kein Essen, kein Wasser haben, sich in Wald, Sumpf usw. verstecken müssen, durch Mikroleitung miteinander verbunden wie Kettensträflinge? Und Thomas und Lilly, finden die das superwitzig, eigene Eltern reinzulegen? Sehe vor mir, wie Thomas ans Fenster trat und ganz überrascht tat, dass SG s weg sind. Thomas = Drecksack. Und Lilly: Wir haben so viel für ihren Geburtstag gemacht, das ist nun Dank?
Mir wird heiß unterm Kragen. Unwillkürlich sage ich all das laut.
Kinder verblüfft. Kinder haben mich noch nie so wütend gesehen.
Thomas: Daddy, wir wussten das nicht!
Lilly: Ehrlich nicht!
Thomas rauft sich Haare und rennt raus. Lilly bricht in Tränen aus, stampft raus, zerrt (verblüffte) Eva an Hand raus.
Eva (geknickt, zu mir): Aber du hast doch, du hast diesen Satz gesagt, man soll kühn sein –
Notiz für Generationen der Zukunft: In unserer Zeit geraten Familien manchmal in schwierige Gewässer. Familie hat das Gefühl: Wir sind Loser, alles, was wir tun, ist falsch. Eltern streiten sich lautstark, geben einander Schuld an katastrophaler Situation. Dad tritt gegen Wand, macht Loch in der Wand neben Kühlschrank, Familie lässt Mittagessen ausfallen. Zu angespannt, um an einem Tisch sitzen zu können. Unerträglich. Lässt einen (Vater) an ganzem Unterfangen zweifeln, d. h. lässt Vater (mich) überlegen, ob Menschen nicht besser allein leben sollten, als Einzelne, im Wald, sich um eigenen Scheiß kümmern, niemanden lieben.
Heute ist für uns so.
Stürmte in Garage. Blöder Eichhörnchen/Maus-Fleck immer noch da, nach all den Wochen. Beschloss, ein für alle Mal Fleck zu beseitigen. Nahm Bleichmittel + Schlauch zum Auslöschen. Setzte mich dann, in Stille danach, auf Schubkarre und musste über alles lachen. Habe Rubbellos gewonnen, größtes Glück meines Lebens, und ruckzuck größtes Glück meines Lebens in größtes Fiasko meines Lebens verwandelt.
Lachen wurde zu Weinen.
Fühlte mich schrecklich, weil so schroff zu Kindern gewesen.
Pam kam rein, ob ich geweint hätte? Sagte nein, Staub in Augen gekriegt vom Garageputzen. Pam nicht abgekauft. Umarmte mich kurz + Hüftstupser, wie: Du hast geweint, das ist okay, ist grad schwere Zeit, ich weiß.
Pam: Komm wieder rein. Schauen wir, dass wir alles wieder in Normalzustand kriegen. Wir kommen schon durch. Die Kinder sterben da drin, so schlecht fühlen sie sich.
Ging rein.
Kinder am Küchentisch.
Konnte in Augen der Kinder sehen, dass sie sehnsüchtig verzeihen wollten und Verzeihung wollten. Lilly und Thomas hatten es nicht gewusst. Ich sagte, ich wüsste, dass sie es nicht gewusst hätten, und wüsste nicht, warum ich vorhin sagte, sie hätten es gewusst.
Mit offenen Armen rannten Thomas und Lilly zu mir.
Eva blieb sitzen.
Als Eva noch klein, hatte sie einen großen schwarzen Lockenkopf. Stand auf Sofa, aß Müsli aus Kaffeebecher, tanzte zu Musik in ihrem Kopf, schnippte Kordel von Jalousie herum.
Und jetzt: Eva dahockend, Hände vors Gesicht geschlagen, wie
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