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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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macht eine atemlose Pause am Pult. Scheint gar nicht aufhören zu können.
    Stürzt sich wieder rein.
    Aber Todd toll, so toll, Todd wird ganz sicher vermisst werden. Ist für alle in der Familie eine wichtige Lehre: Auch wenn jemand stark, angriffslustig, ehrgeizig, etwas blind für Bedürfnisse anderer ist, kann er immer noch der großartigste, erstaunlichste Bruder aller Zeiten sein, der gelegentlich, als wollte er seinem Wesen widersprechen, ganz plötzlich alle überrascht und etwas annähernd Vernünftiges tut.
    Jüngerer Bruder, anscheinend selbst verblüfft über seine Gedenkrede, wird von grollendem älterem Bruder unter halblautem Gezischel von Pult weggeführt.
    Todds Witwe tritt an Pult. Kann offenbar gar nichts sagen. Drei kleine Mädchen hängen an ihrem Rockzipfel. Witwe gibt kleinstem Mädchen Mikrofon.
    Kleinstes Mädchen: Tschüs, Daddy.
    Essen gut. Mehr als gut. Beerdigung traurig, Essen = himmlisch. Drei Roastbeef-Sandwiches nacheinander vom Pappteller gegessen. Draußen wehte gelber Baum im Wind. Einzelnes gelbes Blatt flog durch Kellerfenster rein. Sah es niederfallen, neben meinem Schuh landen.
    Dachte: Leben wunderschön.
    So froh, dass ich nicht tot bin.
    Falls/wenn ich sterbe, soll Pam nicht einsam sein. Soll wieder heiraten, Leben genießen. Hauptsache, neuer Mann ist netter Kerl. Lieber Kerl. Gläubiger Kerl. Sehr achtsam + gut zu Kindern. Aber Kinder nicht so leicht zu kriegen. Kinder wollen lieber toten Dad (also mich) als gläubigen Kerl. Blassen, öden, gläubigen Kerl ohne Wuffta, der komische Pullover trägt und immer ein bisschen traurig ist, weil kriegt keinen hoch wegen Zipperlein.
    Haha.
    Heute Abend viele Gedanken an Tod, Leser der Zukunft. Kann es wahr sein? Dass ich sterben werde? Dass Pam und Kinder sterben werden? Furchtbar. Warum wurden wir hier hingesetzt, so bereit für Liebe, wenn Ende der Geschichte = Tod? So harsch. So grausam. Mag ich nicht.
    Notiz an mich selbst: In allem versuchen, ein besserer Mensch zu werden.
    Zu Hause Kinder versammelt. Und gebeten, mitzumachen bei neuem Entschluss. Sagte Kindern, Leben ist kurz, jeder Augenblick soll zählen, sollen jeden Tag so leben, als wär’s unser letzter. Wenn sie Traum haben, müssen sie es tun. Wenn sie Bedürfnis haben, etwas auszuprobieren, müssen sie ausprobieren. Versprechen sie das? Wenn ich einen Fehler im Leben gemacht habe, dann dass ich immer zu passiv war. Sie sollen denselben Fehler nicht machen. Sollen wagen, streben, kühn sein. Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte? Sie werden als Erfinder, Held, Prophet (!) bekannt. War Paul Revere schüchtern, Edison vorsichtig, Jesus superhöflich? Am Lebensende werden sie nicht bedauern, was sie getan haben, höchstens, was sie nicht getan haben.
    Dann Schlafenszeit. Manchmal etwas hart: Pam, müde nach langem Tag mit Kindern, wird mitunter schroff zu Kindern, wenn sie nicht gleich spuren. Kinder, müde nach Schule, werden mitunter aufsässig zu Pam, wenn sie gleich schroff wird. Gutenachtsagen manchmal = Kinder oben an Treppe kreischen runter, Pam unten an Treppe kreischt hoch. Manchmal fliegt Buch oder Schuh runter, knapp an Pam vorbei.
    Aber heute Abend Schlafengehen leicht. Kinder spüren Wahrheit meiner Worte bez. Tod und gehen still nach oben. Thomas kommt wieder runtergerannt, um mich zu umarmen. Eva wirft mir langen (bewundernden?) Blick von Treppenabsatz zu.
    So liebe Kinder.
    Eine der Freuden der Elternschaft, Leser der Zukunft: Eltern können Kinder positiv beeinflussen, Momente schaffen, die Kinder ihr ganzes Leben nicht vergessen, die ihren Weg verändern, die ihnen Herz und Geist öffnen.
    2. Okt.
    Scheiße.
    Fuck.
    Familie von absolutem Donnerschlag getroffen, Leser der Zukunft.
    Erklär ich gleich.
    Heute Morgen, Thomas und Lilly schlaftrunken am Tisch, Eva noch im Bett, Pam macht Eier, Ferber zu ihren Füßen in Hoffnung, Essensrest fällt runter. Thomas, Bagel kauend, schlendert ans Fenster.
    Thomas: Wow. Was zum Kuckuck. Dad? Komm besser mal her.
    Gehe ans Fenster.
    SG s weg.
    Komplett weg (!).
    Renne raus. Gestell leer. Mikroleitung weg. Tor offen. Renne etwas panisch Block hoch, nachschauen, ob irgendwo eine Spur von ihnen.
    Nichts.
    Renne wieder rein. Rufe Greenway an, rufe Bullen an. Bullen kommen an, suchen Garten ab. Bulle zeigt mir Schleifspur von Mikroleitung in Dreck bei Tor. Sagt, das ist eine gute Nachricht: SG s lassen sich leichter lokalisieren, wenn Mikroleitung noch drin ist, weil dann beschränkt, wie schnell sie laufen

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