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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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Kindersitzen drin und einer Clownspuppe, die ich nicht kannte.
    Drei Autos für zwei Erwachsene, dachte ich. Was für ein Land. Was für egoistische Säcke waren meine Frau und ihr neuer Mann. Ich sah vor mir, wie meine Babys sich über die Jahre langsam in Egosack-Babys verwandeln würden, dann Egosack-Krabbelkinder, -Kinder, -Teenager und -Erwachsene, und ich würde mich die ganze Zeit herumdrücken wie ein verdächtiger Schmuddelonkel.
    In diesem Teil der Stadt wimmelte es von Palästen. In dem einen umarmte sich ein Paar. In einem anderen hatte eine Frau ungefähr neun Millionen kleiner Weihnachtshäuser auf dem Tisch stehen, als machte sie gerade Inventur. Auf der anderen Seite des Flusses wurden die Paläste kleiner. Und in unserem Teil der Stadt waren die Häuser wie Bauernhütten. In einer Bauernhütte standen fünf Kinder vollkommen still auf der Rückenlehne eines Sofas. Dann sprangen sie alle gleichzeitig runter, und ihre Hunde drehten durch.
    9.
    Mas Haus war leer. Ma und Harris saßen im Wohnzimmer auf dem Boden, machten Anrufe und suchten nach einem Ort, wo sie hinkonnten.
    »Wie spät ist es?«, fragte ich.
    Ma schaute an die Wand, wo früher die Uhr war.
    »Die Uhr liegt auf dem Bürgersteig«, sagte sie.
    Ich ging nach draußen. Die Uhr lag unter einem Mantel. Zehn. Evan hatte mich aufs Kreuz gelegt. Ich erwog, wieder zurückzugehen und zu verlangen, dass ich die Kinder sah, aber ich hätte es nicht vor elf dorthin geschafft, und dann wäre das Argument der späten Uhrzeit doch ziemlich triftig gewesen.
    Der Sheriff kam herein.
    »Bleiben Sie sitzen«, sagte er zu Ma.
    Ma stand auf.
    »Stehen Sie auf«, sagte er zu mir.
    Ich blieb sitzen.
    »Sind Sie das, der Mr Klees zu Boden gestoßen hat?«, fragte der Sheriff.
    »Er ist gerade aus dem Krieg zurückgekommen«, sagte Ma.
    »Vielen Dank, dass Sie gedient haben«, sagte der Sheriff. »Darf ich Sie bitten, dass Sie in Zukunft darauf verzichten, Leute zu Boden zu stoßen?«
    »Mich hat er auch zu Boden gestoßen«, sagte Harris.
    »Ich mag hier nicht durch die Gegend laufen und Veteranen festnehmen«, sagte der Sheriff. »Ich bin selber einer. Also, wenn Sie mir helfen, indem Sie niemanden mehr zu Boden stoßen, helfe ich Ihnen. Indem ich Sie nicht verhafte. Abgemacht?«
    »Er wollte auch das Haus niederbrennen«, sagte Ma.
    »Ich würde nicht empfehlen, irgendetwas niederzubrennen«, sagte der Sheriff.
    »Er ist nicht er selbst«, sagte Ma. »Ich meine, gucken Sie ihn doch mal an.«
    Der Sheriff hatte mich noch nie zuvor gesehen, aber es war, als wäre ihm das Eingeständnis, dass er keine Vergleichsgrundlage hatte, um mein Aussehen einzuschätzen, professionell peinlich.
    »Müde sieht er aus«, sagte der Sheriff.
    »Aber ganz schön stark«, sagte Harris. »Hat mich einfach umgestoßen.«
    »Wo wollt ihr morgen hin, Leute?«, fragte der Sheriff.
    »Vorschläge?«, fragte Ma.
    »Freunde, Familie?«, fragte der Sheriff.
    »Zu Renee«, sagte ich.
    »Und falls das nicht klappt, das Obdachlosenheim in der Fristen Street?«, fragte der Sheriff.
    »Also eins tu ich ganz bestimmt nicht, nämlich zu Renee gehen«, sagte Ma. »In dem Haus sind sie alle so hochnäsig. In deren Augen sind wir schon Unterschicht.«
    »Na ja, wir sind Unterschicht«, sagte Harris. »Verglichen mit denen.«
    »Und ein verpieptes Obdachlosenheim kommt genauso wenig in Frage«, sagte Ma. »In so Heimen kriegt man Filzläuse.«
    »Als wir uns kennenlernten, hatte ich Filzläuse aus genau dem Obdachlosenheim«, steuerte Harris hilfreich bei.
    »Tut mir leid, was hier passiert«, sagte der Sheriff. »Alles läuft rückwärts und falschrum.«
    »Kann man wohl sagen«, sagte Ma. »Da arbeitet man für eine Kirche, der eigene Sohn ist ein Held. Mit einem silbernen Stern ausgezeichnet. Hat einen Marine gerettet, an seinem verpiepten Fuß rausgezogen. Wir haben den Brief gekriegt. Und wo bin ich? Auf der Straße.«
    Der Sheriff hatte abgeschaltet und machte sich bereit für den Abgang, zurück in seine Wirklichkeit, wie immer die aussah.
    »Sucht euch eine neue Wohnmöglichkeit, Leute«, war sein genialer Rat, als er ging.
    Harris und ich zerrten zwei Matratzen zurück ins Haus. Da waren immer noch die Laken und Decken und alles drauf. Aber das Laken auf ihrer Matratze hatte Grasflecken an einer Ecke, und die Kissen rochen nach Schlamm.
    Dann verbrachten wir eine lange Nacht in dem leeren Haus.
    10.
    Am Morgen rief Ma ein paar Frauen an, die sie als junge Mutter gekannt hatte, aber eine

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