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Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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Bett seine Freundin immer noch tief und fest schlief. Ihre Haare waren zerzaust wie bei einem kleinen Mädchen, und das fand er so niedlich, dass er beschloss, sie mit einem Kuss zu wecken. Er beugte sich also zärtlich über sie ...»
    «Wird das eine Liebesgeschichte?», fragte der König. «Dafür bin ich überhaupt nicht in Stimmung.»
    «Nein», sagte die Prinzessin. «Es wird keine Liebesgeschichte.»
    «Dein Glück», sagte der König.
    «Er beugte sich über sie», wiederholte die Prinzessin, «und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Seine Freundin öffnete verschlafen die Augen, sah ihn an und begann zu schreien.»
    «Schreien?», fragte der König.
    «Schreien», sagte die Prinzessin. «Mit weit aufgerissenem Mund und einer ganz hohen, schrillen Stimme, die er an ihr überhaupt nicht kannte. Zuerst dachte er, sie stecke in einem schlechten Traum fest und werde bestimmt gleich aufwachen, aber als er versuchte, sie beruhigend zu streicheln, schlug sie um sich und trat nach ihm.
    ‹Ich bin es doch›, sagte der junge Mann, aber diese Worte versetzten seine Freundin noch mehr in Panik. Sie starrte ihn an, als dürfe es ihn nicht geben, und verkroch sich dann, die Bettdecke eng um sich geschlungen, wimmernd in der äußersten Ecke des Zimmers.«
    «Was hatte sie denn?», fragte der König.
    «Angst», sagte die Prinzessin.
    «Aber wovor?»
    «Das konnte sich der junge Mann auch nicht erklären. Als er sie mit dem vertrauten Kosenamen ansprach, zuckte sie zusammen, und als er auf sie zuging, begann sie wieder zu schreien. ‹Geh weg!›, schrie sie und immer wieder: ‹Geh weg!›
    Er wusste nicht, was er machen sollte, und entschied sich deshalb für das Alltägliche. Er war in einer Firma angestellt, wo man auf Pünktlichkeit großen Wert legte, und so beschloss er, zuerst einmal zur Arbeit zu gehen und dann später, wenn sie sich beruhigt haben würde, seine Freundin anzurufen. Er glaubte immer noch an einen bösen Traum.»
    «Oder sie hatte Drogen genommen», sagte der König.
    «Das wäre gut möglich gewesen. Die kaufte man in dieser Zeit im Supermarkt, und am Fernsehen machten Filmstars Werbung dafür.»
    «Meinst du wirklich, dass das so kommt?», fragte der König.
    «Vielleicht», sagte die Prinzessin.
    «Da wär ich strikt dagegen», sagte der König. «Wenn man das Zeug überall kaufen kann, lässt sich nichts mehr damit verdienen. Man nennt das Angebot und Nachfrage.»
    «Der Mann wollte sich anziehen», fuhr die Prinzessin fort, «aber bei jeder Bewegung, die er machte, geriet seine Freundin von neuem in Panik. Er nahm also seine Kleider und ging damit ins Bad. Angezogen und zum Weggehen bereit öffnete er noch einmal die Schlafzimmertür. Er konnte seine Freundin zuerst nicht entdecken. Dann hörte er sie schnell und heftig atmen und merkte, dass sie sich unter dem Bett verkrochen hatte. Er kniete nieder und beugte sichzu ihr hinunter. Als sie sein Gesicht vor sich sah, begann sie zu winseln. Dann flüsterte sie: ‹Du bist es nicht. Du bist es nicht. Du kannst es nicht sein.›»
    «Was meinte sie damit?», fragte der König.
    «Soll ich es dir gleich erzählen?», fragte die Prinzessin. Sie holte unter ihrem Kopfkissen eine Zigarettenpackung hervor, denn es hatte sich zwischen ihr und dem König die Gewohnheit eingebürgert, dass sie nach jeder Geschichte eine Zigarette rauchen durfte.
    Der König schlug ihr die Packung aus der Hand.
    «Noch nicht», sagte er. «So wie dieser verdammte Pickel juckt, kann ich sowieso nicht einschlafen.»
    Also erzählte die Prinzessin weiter. «Der junge Mann versuchte seine Freundin zu beruhigen, aber es gelang ihm nicht. Was immer er auch zu ihr sagte, es schien ihren Zustand nur zu verschlimmern. Und berühren ließ sie sich überhaupt nicht. So überlegte er sich schließlich, dass es wohl am besten wäre, sie erst einmal allein zu lassen.»
    «Eine faule Ausrede», sagte der König.
    «Da magst du recht haben», sagte die Prinzessin. «Er wusste nicht, was mit ihr los war, und hatte Angst, etwas Falsches zu tun. Also zog er die Tür hinter sich zu und ging.
    Als er zu seinem Wagen kam und einsteigen wollte, ließ der sich nicht öffnen. Er machte einen zweiten Versuch, und wieder passierte nichts. Als er zum dritten Mal am Griff herumhebelte, schaltete sich die Alarmanlage ein. Das Heulen der Sirene erschreckte ihn so sehr, dass er wie ein ertappter Dieb davonlief. Ein paar Leute schauten ihm nach, aber es verfolgte ihn niemand.»
    «Weil niemand

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