Zehnundeine Nacht
gekommen,als ihm etwas auffiel. Ein dunkelgrauer Kombi fuhr schon eine ganze Weile hinter ihm her, im immer gleichen Abstand. Der Wagen trug kein Firmenzeichen und kam ihm doch bekannt vor, ohne dass er hätte sagen können, woher.
Es konnte natürlich Zufall sein, dass der Kombi jedes Mal da war, wenn er sich umdrehte. Aber als er in eine Seitenstraße einbog, folgte er ihm immer noch. Versuchsweise ging er langsamer. Der Wagen kam nicht näher. Er beschleunigte seine Schritte. Der Wagen fiel nicht zurück.
‹Ich habe keinen Grund, mich vor irgendetwas zu fürchten›, sagte sich der junge Mann. ‹Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.› Je angestrengter er versuchte, diesen Gedanken festzuhalten, desto mehr geriet er in Panik.
Er kam an einem Warenhaus vorbei, und ohne zu überlegen ging er hinein. Er war spät dran und hatte eigentlich keine Zeit für Umwege. Deshalb beeilte er sich immer mehr, begann schließlich zu rennen, stieß andere Kunden zur Seite und wurde von Verkäufern vorwurfsvoll angesehen. Vor einem Stand mit Uhren stolperte er und fiel hin. Als er wieder auf die Beine kam, merkte er, dass die Überwachungskameras an der Decke alle in seine Richtung geschwenkt hatten. Er versuchte zu lächeln, wie jemand, der sich über sein eigenes Ungeschick amüsiert. Es gelang ihm nicht wirklich.
Er verließ das Warenhaus durch einen Seitenausgang. Auf der Straße war von dem grauen Kombi nichts zu sehen. Zumindest das hatte er erreicht. Aber er fühlte sich trotzdem nicht ganz sicher und machte auf dem Weg zu seiner Firma mehrere Abstecher in verschiedene Läden. Er hatteschon mehr als eine Stunde Verspätung, als er endlich vor dem Bürogebäude ankam.»
«Klar», sagte der König. «Und der graue Kombi wartete schon auf ihn.»
Die Prinzessin musste ein sehr überraschtes Gesicht gemacht haben, denn der König begann zu lachen. Er lachte so heftig, dass er sich an seinem Whisky verschluckte. «Da staunst du», sagte er triumphierend, als er wieder sprechen konnte. «Aber Spielregeln lerne ich schnell. Habe ich dir erzählt, wie ich einmal ein Kartenspiel in nur einer Viertelstunde ... ?»
«Ja», sagte die Prinzessin. «Das hast du mir erzählt.»
«Siehst du», sagte der König. «Da werde ich mir ja wohl auch noch eine von deinen Geschichten ausrechnen können. Also, der Kombi wartete schon auf ihn, und als er ankam...»
«Nein», sagte die Prinzessin. «Von dem Lieferwagen war weit und breit nichts zu sehen.»
Der König nahm enttäuscht den nächsten Schluck. «Bist du sicher?», fragte er.
«Es ist meine Geschichte», sagte die Prinzessin.
«Na schön», sagte der König. «Und wie geht sie weiter?»
«Auch wo jemand arbeitete war auf der Chipkarte festgehalten, und darum hätte sich die Haustür eigentlich automatisch vor ihm öffnen müssen.»
«Aber sie tat es nicht.»
«Sehr richtig», sagte die Prinzessin. «Er klingelte also und musste, wie ihm schien, sehr lang warten, bis sich endlich über die Gegensprechanlage die Empfangsdame meldete. Er begann ihr zu erklären, dass mit seiner Karte etwasnicht in Ordnung sei, und dass er sich deshalb verspätet habe.
‹Wer spricht da, bitte?›, fragte sie.
Er nannte seinen Namen.
‹Hier arbeitet niemand, der so heißt.›
Ohne all die Dinge, die ihm an diesem Morgen schon zugestoßen waren, hätte er wahrscheinlich an einen Scherz geglaubt. Er kannte die Empfangsdame seit Jahren und hatte sogar, bevor er seine Freundin kennenlernte, eine kurze Affäre mit ihr gehabt. Aber hier ging es nicht um einen Scherz. Hier war etwas ganz grundsätzlich aus der Ordnung geraten, und er wollte endlich wissen, was es war. Die Anspannung des Tages machte seine Gedanken schneller. Ohne zu zögern sagte er: ‹Wer wo arbeitet oder nicht, das geht mich nichts an. Der Name steht auf dem Paket, das ich bei Ihnen abgeben soll. Eilsendung.›
‹Warum sagen Sie das nicht gleich?› Die Stimme aus der Gegensprechanlage klang vorwurfsvoll. Noch einmal musste er warten, dann öffnete sich endlich die Tür. Sie hatte sich gerade wieder hinter ihm geschlossen, als der graue Kombi vorfuhr.»
«Ich wusste es, ich wusste es», sagte der König und war ganz begeistert von sich selber. «Mir macht keiner was vor.»
Er hatte unterdessen schon sehr viel getrunken und musste deshalb über seinen Triumph so heftig lachen, dass ihm der Whisky aus der Nase lief, und er sie sich am Nachthemd der Prinzessin abwischen musste.
«Gern geschehen», sagte
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