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Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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‹Aha.›
    ‹Das ist meine Karte›, sagte der junge Mann.
    ‹Es wird sich gleich erweisen.›
    ‹Sehen Sie sich doch das Bild an.›
    Sein Chef betrachtete die Karte, schaute seinen Angestellten an, sah wieder auf die Karte, und so mehrere Malehin und her. Dann sagte er: ‹Ich kann keine Ähnlichkeit feststellen.›
    ‹Aber ich bin es.› Er sagte das so laut, dass ihn seine Kollegen noch fester packten.
    Der Vorgesetzte ging an seinen Platz zurück. Auf seinem Schreibtisch stand ein Lesegerät, und vor dessen Sensor hielt er die beschlagnahmte Karte. Er warf einen Blick auf den Bildschirm und nickte dann. ‹Wie ich es mir gedacht habe. Dieser Ausweis gehört nicht Ihnen.›
    ‹Doch›, sagte der junge Mann.
    ‹Das ist nicht möglich›, sagte der Chef. ‹Der Inhaber dieser Karte ist tot.›
    ‹Es muss ein Fehler im System sein.› Der junge Mann merkte selber, dass er nicht überzeugend klang. Seine Stimme war unsicher. Am Ende des Satzes überschlug sie sich sogar.
    Sein Chef lachte denn auch nur. ‹Wenn gleich die Polizei kommt, sollten Sie eine bessere Ausrede bereit haben. Das System macht keine Fehler.›
    Manchmal, wenn man in der Klemme sitzt, entwickelt man ungeahnte Kräfte ...»
    «Ich weiß», sagte der König.
    «... und der junge Mann schaffte es tatsächlich, sich von den Männern, die ihn festhielten, loszureißen. Weil die sich gegenseitig behinderten, war er aus dem Zimmer gelaufen, noch bevor sie reagieren konnten.
    Auf dem Flur war niemand. Die Tür zu seinem Büro stand offen. Als er daran vorbeirannte, konnte er aus den Augenwinkeln sehen, dass die fremde Frau vor seinem Computer saß und Zahlen eintippte. Als ob nichts geschehen wäre.
    Die Empfangsdame, mit der er einmal eine Affäre gehabt hatte, stieß einen spitzen Schrei aus, als sie ihn zum Ausgang rennen sah. Genau so, erinnerte er sich, hatte sie immer geschrien, wenn sie im Bett zum Höhepunkt kam.
    Der Aufzug war besetzt, und so nahm er die Treppe, zwei und drei Stufen aufs Mal. Im Treppenhaus begegnete er niemandem.
    Als er ins Freie kam, sah er, wie aus dem grauen Kombi zwei Männer ausstiegen. Sie trugen dunkle Uniformen, die ihm fremd erschienen, obwohl er das Gefühl hatte, sie kennen zu müssen. Einer der Männer ging um das Auto herum. Dann kamen sie ohne Eile von zwei Seiten auf ihn zu.
    Der junge Mann zögerte einen Moment und rannte dann auf die Straße hinaus. Er hörte noch eine Hupe und das Quietschen von Bremsen. Dann hörte er nichts mehr.»
    «Überfahren?», fragte der König.
    «Genau», sagte die Prinzessin.
    «Und? War er tot?»
    «Als die Leute aus seinem Büro aus dem Haus kamen, sahen sie ihn mitten auf der Straße liegen. Rund um seinen Kopf breitete sich eine Blutlache aus. Einer der uniformierten Männer kniete neben ihm, hielt sein Handgelenk und versuchte einen Puls zu erfühlen. Dann schüttelte er den Kopf und ließ los. Genau in diesem Augenblick war es ringsum so still, dass alle hören konnten, wie die leblose Hand auf den Boden klatschte.
    Der andere Uniformierte warf nur einen Blick auf die verschreckte Gruppe der Büroangestellten und ging dann direkt auf den Chef zu. Er war ein erfahrener Beamter und hatte sofort erkannt, wer hier das Sagen hatte.
    ‹Kennen Sie den Mann?›, fragte er.
    Der Chef schüttelte den Kopf. ‹Diesen Ausweis hatte er in der Tasche›, sagte er und streckte dem uniformierten Mann die Chipkarte hin. Der nahm sie und ging damit zum Kombi. Er holte ein tragbares Lesegerät heraus und hielt die Karte davor. Nach einem Augenblick nickte er.
    ‹Inhaber der Karte verstorben›, sagte er. ‹Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell das System reagiert.›»
    «Und weiter?», sagte der König.
    «Die Geschichte ist zu Ende», sagte die Prinzessin und wollte eine Zigarette vom Boden aufheben. Der König hielt ihren Arm fest.
    «Nicht so schnell», sagte er. «Etwas hast du mir noch nicht erklärt. Dieser graue Kombi mit den beiden Uniformierten, was war das eigentlich?»
    «Der Leichenwagen natürlich», sagte die Prinzessin. Der König dachte nach. «Okay», sagte er dann. «Du darfst jetzt eine Zigarette rauchen.»

Die sechste Nacht
    Der König stöhnte und schwitzte und fragte: «Wie war ich?»
    Die Prinzessin antwortete, wie es von ihr erwartet wurde. «Du bist der Beste», sagte sie.
    «Ich weiß.» Der König wälzte sich zur Seite und machte es sich bequem. Es war Zeit für seine Geschichte.
    «Es war einmal ein Mann», sagte die Prinzessin, «der kam bei

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