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Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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aufgefallen, dass irgendetwas damit nicht stimmte. Es wurde mit jedem Tag fader, und schließlich hätte er genauso gut auf einem Schwamm herumkauen können. Je mehr er versuchte, sich an den richtigen Brotgeschmack zu erinnern, desto weniger gelang es ihm, und was man sich nicht mehr vorstellen kann, das kann man auch nicht mehr zaubern.»
    «Das wird jetzt aber bitte keine traurige Geschichte», sagte der König. «Ich habe gute Laune, und wenn du mir die verdirbst, kriegst du eins in die Fresse.»
    «Es wird eine Liebesgeschichte», sagte die Prinzessin. «In der Bäckerei stand nämlich eine Verkäuferin hinter der Theke, die schien ihm die schönste Frau zu sein, die er jemals gesehen hatte. Als sie ihm sein Brot reichte, lächelte sie ihn an – aus reiner Höflichkeit, aber das wusste er nicht –, und er war auf der Stelle in sie verliebt.»
    «Kriegen sie sich am Ende?», fragte der König.
    «Würde dir das gefallen?»
    «Ich bin in der Laune für ein Happy End.» Er räkelte sich genüsslich in eine noch bequemere Position hinein und ließ dabei einen lautstarken Furz fahren. «Das ist dieser verdammte Champagner», sagte er. «Ich hätte das Zeug nicht trinken sollen.» Die Prinzessin wäre gern von ihm weggerückt, aber das traute sie sich nicht.
    «Der junge Mann», fuhr sie also fort, «hatte keine Erfahrungim Umgang mit Frauen. Aus Büchern wusste er, dass es üblich ist, seiner Angebeteten ein Geschenk zu machen, und er zauberte ihr deshalb einen Ring mit einem großen Brillanten auf die Brottheke. Durch das Schaufenster beobachtete er, wie sie das Schmuckstück fand und sich scheinbar vor Begeisterung gar nicht fassen konnte. Zumindest machte sie einen äußerst aufgeregten Eindruck. Sie steckte sich den Ring aber nicht an den Finger, wie er das erhofft hatte, sondern packte ihn, in mehrere Lagen Brotpapier gewickelt, in ihre Handtasche. Dann rannte sie aus dem Laden. Er folgte ihr in unauffälliger Distanz und war sehr enttäuscht, als er merkte, dass sie ihren Fund bei der Polizei abgab. Zwei Tage später war dann in der Zeitung zu lesen, ein Ring mit einem riesigen Brillanten im Wert von mehreren Millionen sei von einem ehrlichen Finder abgegeben, bisher aber noch von niemandem vermisst worden. Um allzu große Komplikationen zu vermeiden, musste er noch einmal zaubern und war erst beruhigt, als in derselben Zeitung stand, der vermeintlich echte Brillant habe sich bei näherer Untersuchung nun doch als Imitation herausgestellt.
    Er kaufte sehr viel Brot in diesen Tagen. Die Verkäuferin, die mit ihren Kunden so berufsmäßig Konversation machte, wie sie sie anlächelte, sagte deswegen einmal zu ihm, er habe bestimmt eine große Familie. Er wurde ganz rot und verlegen und druckste herum, nein, er sei Junggeselle und ganz allein. Damit sie nun aber nicht meinen sollte, er sei ein langweiliger Eigenbrötler, fügte er schnell hinzu, er habe natürlich Freunde, sehr viele Freunde sogar, sie würden sich regelmäßig treffen und Feste feiern und sehr, sehr viel Spaß miteinander haben. Weil er sein Brot immer mit einem großenSchein bezahlte – er vergaß regelmäßig, sich Kleingeld in den Geldbeutel zu zaubern –, hielt ihn die Verkäuferin für einen reichen Mann und sagte deshalb, Feste zu feiern und Spaß zu haben, das würde ihr auch gefallen. Und bevor er richtig merkte, was da passiert war, hatte er sie zu einer Party zu sich nach Hause eingeladen, und sie hatte die Einladung angenommen.»
    «Was habe ich gesagt?», kommentierte der König. «Wenn du nach Geld stinkst, brauchst du kein Rasierwasser.»
    «Der junge Mann war sehr aufgeregt», sagte die Prinzessin, «denn was eine richtige Party war, wusste er nur aus dem Fernsehen. Zuerst einmal gestaltete er seine Wohnung um. Bisher hatte ihn nie wirklich interessiert, wie es dort aussah – mit magischen Kräften bleibt auch noch das durchgesessenste Sofa bequem –, aber jetzt kopierte er sich aus Katalogen und Zeitschriften eine Einrichtung zusammen, die war so elegant, dass er es selber kaum mehr wagte, auch nur einen Stuhl zu benutzen. Im Badezimmer waren die Wasserhähne aus Gold, und in der Küche stand ein riesiger Kühlschrank, vollgestopft mit Kaviar und Champagner.»
    «Sprich mir nicht von Champagner», sagte der König. «Mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke.»
    «An den Wänden hingen Bilder berühmter Maler, die hatte er so täuschend echt hingezaubert, dass jeder Museumsdirektor der Welt sie sofort hätte kaufen wollen.

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