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Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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Prügel wurden nicht weniger. Einmal, als ihn der Stärkste in der Klasse in den Magen boxen wollte, zauberte er sich ganz schnell einen Harnisch unter den Pullover, und der andere Junge brach sich zwei Finger. Das blieb aber ein einmaliger Triumph.»
    «In den Magen boxen bringt gar nichts», sagte der König. «Oben muss man sie beschäftigen.» Auf dem Rücken liegend demonstrierte er linke und rechte Haken. «Und wenn sie dann die Deckung hoch nehmen – voll mit dem Knie in die Eier.»
    «Du hast sicher recht», sagte die Prinzessin.
    «Mit solchen Sachen kenne ich mich aus.»
    «Das glaube ich dir», sagte die Prinzessin. «Der Junge lernte nie, sich zu wehren. Manchmal, wenn zwei oder drei auf ihm hockten, und die anderen mit ihren Handys darum herum standen, um den Spaß zu filmen, zauberte er sich für ein paar Sekunden ein Kissen unter den Kopf. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. Am Abend solcher Tage spielte er dann stundenlang Computerspiele, in denen es darum ging, Bösewichte auf blutigste Weise hinzumetzeln. Aber das machte ihm bald auch keinen Spaß mehr. Spiele, in denen man immer gewinnt, werden schnell langweilig. Und natürlich gewinnt man, wenn man zaubern kann.»
    «Der Mann ist ein Idiot», sagte der König. «Wenn ich zaubern könnte ... » Er brach ab. «Schau mal», sagte er. «Wenn ich nur daran denke, werde ich schon steif. Fass mal an.»
    «Danke», sagte die Prinzessin.
    «Wenn ich zaubern könnte, ich würde ... ich würde ... Kann er die Lottozahlen voraussagen?»
    «Voraussagen nicht. Aber die Kugeln so beeinflussen, dass seine Zahlen gezogen werden.»
    «Siehst du», sagte der König. «Da hast du es doch schon. Jede Woche sechs Richtige. In allen Lotterien der Welt. Da kann er Bill Gates einstellen, damit ihm der den Hintern abwischt.»
    «Geld interessierte ihn nicht.»
    «Ich sag’s ja: ein Idiot.»
    «Was er gern gehabt hätte, war: beliebt zu sein.»
    «Das wär doch kein Problem gewesen. Zünd dir deine Zigarre mit einem Fünfhunderter an, und die Weiber stehen Schlange.»
    «Schade, dass er dich nicht gekannt hat», sagte die Prinzessin. «Du hättest ihm bestimmt eine Menge guter Ratschläge geben können.»
    «Machst du dich über mich lustig?» Der König richtete sich auf und schrie plötzlich. «Machst du dich über mich lustig?»
    «Nein», sagte die Prinzessin.
    «Es schien mir aber so», sagte der König. «Ich mag ja besoffen sein, aber bin nicht blöd. Noch einmal so ein Spruch, und du kannst ausprobieren, ob du mit einem gebrochenen Nasenbein besser aussiehst.»
    «Es tut mir leid», sagte die Prinzessin.
    «Sei froh, dass ich so gute Laune habe. Obwohl der Champagner geschmeckt hat wie ausgewaschene Limonadeflaschen. Wenn ich zaubern könnte, wäre in jeder ChampagnerflascheBier drin. So, und jetzt mach weiter mit deiner Geschichte.»
    «Der Mann wurde erwachsen», sagte die Prinzessin, «und er wurde immer einsamer. Wer zaubern kann, hat nicht viel Grund, unter die Leute zu gehen. Nicht einmal um einzukaufen. Zwar hatte er immer genügend Geld und musste dafür nicht einmal Lotto spielen. Er konnte es sich einfach in die Tasche zaubern. Aber warum sollte er in einen Laden gehen? Wenn er Hunger hatte, stand das Gewünschte auf dem Tisch, und wenn er etwas Neues zum Anziehen brauchte, genügte ein Gedanke, und schon hing es im Kleiderschrank.
    Leider war er weder in kulinarischen noch in modischen Belangen besonders einfallsreich, und deshalb aß er immer nur Dinge, die er schon kannte, auch wenn sie ihm schon lang nicht mehr schmeckten, und lief jeden Tag in den gleichen schlabbrigen Pullovern herum. Weil die Notwendigkeit dazu nicht bestand, erlernte er auch nie einen Beruf. Und Hobbys machen keinen Sinn, wenn jede Sammlung immer gleich vollständig und jede Bastelarbeit immer gleich fertig ist.
    Er zauberte sich in jedes Zimmer einen Fernseher, die alle den ganzen Tag liefen, aber er langweilte sich trotzdem furchtbar.»
    «Ein Idiot», sagte der König.
    «Das alles änderte sich», sagte die Prinzessin, «als er eines Tages in die Bäckerei ging, um frisches Brot zu kaufen.»
    «Warum zauberte er sich das nicht einfach her?», fragte der König misstrauisch. Geschichten, das hatte er der Prinzessinganz am Anfang erklärt, hatten ihre Spielregeln, und bescheißen ließ er sich nicht.
    «Er hatte vergessen, wie Brot schmecken musste», sagte die Prinzessin. «Er kriegte es zwar immer noch auf den Tisch, warm und knusprig, aber in der letzten Zeit war ihm

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