Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
Vom Netzwerk:
Auf einem Kaminsims standen in silbernen Rahmen lauter signierte Fotos, die ihn Arm in Arm mit prominenten Politikern und Sportlern zeigten. Er dachte an jedes Detail, füllte sogar, nur für den Fall, dass jemand in seinen Privaträumenherumstöbern sollte, ganze Kleiderschränke mit Designerkleidung der teuersten Modeschöpfer. Beim Gedanken, dass die schöne Verkäuferin aus der Bäckerei sein Schlafzimmer betreten könnte, wurde ihm ganz schwindlig.
    Das alles ging noch ohne große Probleme vor sich. Viel schwieriger war es dann, Gäste für die Party zu finden. Freunde hatte er keine, und selbst an Bekannten, wie sie sonst jeder hat, mangelte es ihm.»
    «Ich habe viele Freunde», sagte der König, «ich traue ihnen nur nicht.»
    «Die Lösung, die er schließlich fand», sagte die Prinzessin, «bestand darin, dass er verschiedene Agenturen anrief und sich als Assistent eines Filmmoguls aus Hollywood ausgab.»
    «Das haben sie ihm geglaubt?»
    «Er zauberte ihnen eine Rufnummer mit der Vorwahl von Los Angeles auf die Displays ihrer Telefone.»
    «Der Trick ist nicht schlecht», sagte der König. «Aber ich bin sicher, das würde man auch ohne Zauberei schaffen. Mit Computern können sie heutzutage fast alles.»
    «Man plane in Europa einen Film, sagte er den Agenturen, suche dafür hiesige Schauspieler und veranstalte zu diesem Zweck eine Kennenlern-Party. Selbstverständlich sei man bereit, die Agenturen für ihre Bemühungen gut zu bezahlen. Man suche junge attraktive Leute mit sehr viel Charme.»
    «Leute wie mich also», sagte der König. Es war nicht klar, ob er das ironisch oder ernst meinte. Er rieb nachdenklich an seinem Bauch herum und fragte: «Findest du, dass ich zugenommen habe?»
    «Es steht dir gut», sagte die Prinzessin diplomatisch.
    «Mir steht es immer gut», sagte der König. «Zumindest hat sich noch keine Frau beschwert.» Er wollte das Thema näher ausführen, aber die Prinzessin erzählte schnell weiter.
    «Bei der Party lief alles so, wie er es sich erträumt hatte. Es waren eine Menge Schauspieler gekommen, darunter auch einige, die er schon mal im Fernsehen gesehen hatte. Sie aßen den Kaviar mit großen Löffeln direkt aus der Dose und tranken ...»
    «Bitte nicht», sagte der König.
    «... was immer sie im Kühlschrank fanden. Der wurde nicht leerer, so oft sie sich auch bedienten. Weil sie Schauspieler waren und weil sie glaubten, er habe Rollen zu vergeben, behandelten sie den Gastgeber wie ihren besten Kumpel, redeten auf ihn ein und schlugen ihm immer wieder freundschaftlich auf die Schulter. Sie drängten sich so um ihn herum, dass er gar nicht dazu kam, auch nur ein Wort mit der Verkäuferin zu wechseln. Aber er sah sie doch ab und zu von weitem, und es schien ihm, dass sie ihn mit ganz anderen Augen betrachtete.»
    «Was ich immer sage.» Der König hatte recht behalten, und das mochte er. «Geld stinkt, aber es ist ein Gestank, den die Leute mögen.»
    «Manche Leute», sagte die Prinzessin.
    «Die meisten», sagte der König.
    «Irgendwann fiel ihm auf», fuhr sie fort, «dass seine Angebetete verschwunden war. Mit der Ausrede, er müsse seinen Boss in Hollywood anrufen, ließ er seine neugefundenen Freunde stehen und machte sich auf die Suche nach ihr. Er fand sie in seinem Schlafzimmer ...»
    «... wo sie im Bett auf ihn wartete», ergänzte der König.
    «Nein», sagte die Prinzessin. «Sie lag zwar im Bett, aber nicht allein. Einer der Gäste lag mit zuckendem Hintern auf ihr. Als die Tür aufging, rief er: ‹Besetzt›, und die Verkäuferin lachte. Der Mann, der zaubern konnte, erkannte den Gast. Es war auch ein Schauspieler. In einer Vorabendserie spielte er den Liebhaber, der alle Frauenherzen bricht.»
    «Er hat ihn hoffentlich verprügelt und rausgeschmissen», sagte der König.
    «Nein», sagte die Prinzessin. «Das war nicht seine Art. Er ging ganz leise aus der Wohnung und verließ das Haus. Irgendwann fiel ihm ein, dass es besser wäre, die schöne Einrichtung mitsamt dem immer gefüllten Kühlschrank wieder verschwinden zu lassen, und das tat er dann auch. Er stieg in einen Zug, ohne zu fragen, wo der hinfuhr, und kam nie mehr in diese Stadt zurück.»
    «Ein Idiot», sagte der König.
    «Ein enttäuschter Liebhaber.»
    «Das ist dasselbe», sagte der König. «Außerdem ist es jetzt doch eine traurige Geschichte geworden, und ich habe ausdrücklich ein Happy End bestellt.»
    «Die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende», sagte die

Weitere Kostenlose Bücher