Zehnundeine Nacht
König.
«Möchtest du, dass die beiden heiraten?»
«Ich möchte ...» Der König presste plötzlich die Hand vor den Mund. «Dieser verdammte Champagner», konnte er gerade noch sagen. Dann war er schon aus dem Bett gesprungen und aus dem Zimmer gerannt. Sie hörte ihn würgen.
«Und wenn sie nicht gestorben sind», sagte die Prinzessin leise, «dann leben sie noch heute.»
Die neunte Nacht
«Es war einmal ein Mann», sagte die Prinzessin, «der wusste, wann die Welt untergehen würde.»
«Sie geht nicht unter», sagte der König. «Sie wird nur immer beschissener. Weißt du, wie man Flecken aus Autopolstern entfernt?»
«Kommt auf die Flecken an.»
«Wenn einer einen zweiunddreißiger Ringgabelschlüssel voll über den Schädel kriegt und fällt rückwärts durch eine offene Wagentür – spritzt der dann mit Tomatensoße?»
«Backpulver», sagte die Prinzessin. «Anfeuchten und Backpulver drauf. Möglichst solang das Blut noch frisch ist.»
«Scheiße», sagte der König. «Wieso weiß man so was nicht? Wenn der Wagen nicht mehr piccobello wird, kann die Welt von mir aus wirklich untergehen.» Seine Zigarre wollte schon wieder nicht brennen, und er schnipste mit den Fingern, damit sie ihm die Streichhölzer vom Nachttisch reichte. Wenn er im Bett qualmte, das wusste die Prinzessin, dann hatte er wirklich Ärger gehabt.
«Eine Geschichte?», fragte sie.
«Eine Geschichte», sagte der König.
«Der Mann, der wusste, wann die Welt untergehen würde», sagte die Prinzessin, «war der Älteste von drei Brüdern.Er kam eines Tages ganz aufgeregt aus der Stadt zurück und berichtete von einer großen Neuigkeit, die er dort erfahren habe. Die Welt würde untergehen. Am einunddreißigsten Dezember, pünktlich um Mitternacht. Er hatte es auf dem Hauptmarkt von einem Bußprediger gehört.»
«Auf dem Hauptmarkt?», fragte der König zweifelnd. «Wo das Parkhaus immer voll ist, und die Polizei einen schikaniert, wenn man mal für fünf Minuten seinen Wagen stehenlässt?»
«Die Geschichte spielt vor tausend Jahren», sagte die Prinzessin. «Damals gab es keine Autos und keine Parkhäuser. Der Mann hatte sich auf dem Markt nach einer trächtigen Kuh umsehen wollen und stattdessen eine Predigt gehört. Von einem Mönch ohne Schuhe und mit zerrissener Kutte. Dessen Prophezeiungen waren ihm nur schon deshalb glaubhaft erschienen, weil der Prediger kleine spitze Metallstücke in die Schnüre seiner Geißel geflochten hatte und sich damit den Rücken blutig schlug.»
«Backpulver», sagte der König. «Solang die Flecken noch frisch sind.» Gegen seine Gewohnheit lachte er nicht über den eigenen Witz. Er musste sehr viel Ärger gehabt haben.
«‹Seit der Geburt des Erlösers›, hatte der Prediger gesagt, ‹ist der Satan gefesselt, die alte Schlange. So steht es geschrieben. Für tausend Jahre ist er in den Abgrund geworfen und mit dem Siegel verschlossen. So spricht der Herr. Aber wenn die tausend Jahre vollendet sind, muss er losgelassen werden für eine kleine Zeit. So heißt es in der Offenbarung. Dann ziehen Gog und Magog in den Krieg, sie werden besiegt und mit ihnen das Böse. Und dann beginnt das Jüngste Gericht.›»
«Du hast den Ton gut drauf», sagte der König anerkennend. «Ich wusste gar nicht, dass du die Bibel liest.»
«In meinem Beruf übernachtet man oft in Hotels», sagte die Prinzessin. «Da gibt es meist nichts anderes.»
Der König paffte und paffte. Seine Zigarre wollte einfach nicht brennen.
«‹Die Welt wird untergehen›, hatte der Prediger verkündet. ‹In der Mitte der Nacht, die auf den letzten Tag folgt. Auf den letzten Tag des Jahres neunhundertneunundneunzig. Mit dem tausendsten Jahr beginnt dann eine neue Zeit.›»
Der König spuckte einen Tabakkrümel aufs Bett.
«Als der Mann seinen Brüdern von der Prophezeiung erzählte», sagte die Prinzessin, «da glaubte ihm der eine sofort. In diesem Frühjahr hatte man einen Kometen am Himmel gesehen, und das bedeutete Unheil. Eine Henne hatte ein Ei gelegt, auf dessen Schale waren geheimnisvolle Zeichen gewesen, die nicht einmal der hochwürdige Herr Abt hatte lesen können. Auch von einem Kalb mit sechs Beinen hatte man erzählt. Jetzt waren all diese Dinge erklärt. Ankündigungen waren es gewesen für das Ende der Welt.
Der andere Bruder, der Jüngste von den dreien, spottete nur und sagte: ‹Wir sind doch keine alten Weiber, die jedes Mal den Teufel sehen, wenn eine Ratte durchs Stroh läuft. Bis zum Dezember ist noch
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