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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Urachstraße entlang, dann die Prinz-Eugen-Straße. »Aber warum sind sie dann bis zu dem Gestrüpp gelaufen? Und warum hat ein Zeuge gesagt, die Kinder seien verdreckt gewesen?«
    »Vielleicht mussten sie pinkeln? Rebecca mit dem Diabetes?«
    »Wie auch immer. Ein Auto bedeutet: Die Kinder können überall sein. Einen Kilometer weg, zehn, hundert. In jeder Himmelsrichtung.« Ehrlinspiel breitete die Arme aus.
    Die Männer schwiegen. Dann klingelte Freitags Handy.
    »Jo, was gibt’s?«, fragte er, hörte kurz zu und steckte nach einem »Okay« das Handy in seine Jacketttasche zurück. »Assmann ist auf dem Weg ins Theater. Generalprobe. Der zieht sein Ding durch. Der macht den Faust.«
    »O nein! Das wird er nicht tun! Los, Freitag, komm!« Er zerrte den Wagenschlüssel aus der Hosentasche.

[home]
    17
    Samstag, 18 Uhr 30
    D as ist ja das reinste Labyrinth hier«, sagte Ehrlinspiel, als der Pförtner am Ende langer Flure und vieler Treppen die Hand auf den Knauf einer weißen Flügeltür legte.
    »Der Assmann ist ein komischer Kauz«, sagte der Pförtner. »Nicht sehr beliebt.«
    »Weshalb?«
    Der Mann, der sie vom Künstlereingang hierhergeführt hatte, bewegte keinen Muskel seines vernarbten, roten Gesichts. »Er ist ein Schleimer. Zu allem und jedem übertrieben charmant, aber immer allein unterwegs. Von meiner Loge aus sehe ich mehr als viele andere. Wer mit wem kommt und geht, wer wie gelaunt ist und solche Sachen. Nach fast dreißig Jahren deute ich Ihnen jede Mimik mit achtundneunzig Prozent Treffsicherheit.« Er zeigte auf sein Gesicht. »Und wenn der Assmann mich anstrahlt und mir einen wunderschönen Tag wünscht, weiß ich ganz genau, dass der sich im Geheimen fragt, ob einer mit meinem Aussehen überhaupt je einen schönen Tag haben kann. Und dass er froh ist, nicht so auszusehen.«
    »Ein Unfall?« Der Mann war dem Kommissar sympathisch. Er fühlte sich Menschen, die nicht in die gesellschaftlichen Normen von Status, Schönheit und Leistungsfähigkeit passten, schon immer näher als den meisten Wohlhabenden und Erfolgreichen.
    »Ein Brand. Im Haus meines Nachbarn.« Er zuckte mit den Schultern. »Immerhin lebt er noch. Dank mir. Aber jetzt …« Er legte den Zeigefinger an die Lippen und öffnete die Tür. Gedämpfte Stimmen drangen zu ihnen heraus.
    »Moment.« Ehrlinspiel hielt die Hand an die Tür, so dass sie nur einen Spalt aufging. »Warum hat Assmann diese Rolle, wenn er so unbeliebt ist? Mit dem will dann doch keiner spielen? Oder ist er künstlerisch so genial?«
    »Genial!« Der Pförtner verzog den Mund, und eine der Narben trat wulstig hervor. »Er ist ganz passabel, aber mehr nicht.«
    »Und dann spielt er den Faust?«
    Der Pförtner schob Ehrlinspiels Hand beiseite. Dann zog er die Tür vollends auf und wies über die Reihen roter, leerer Samtsessel, die sich bis zu der erleuchteten Bühne den halbdunklen Saal hinabzogen. Die Leute auf der Bühne schienen winzig und fast verloren. Assmann ging in seinem Rüschenhemd und einem langen, dunklen Umhang neben einem rotgekleideten Mann auf ein Wegeskreuz zu. Hinter ihnen ragte ein großes Schloss auf. »Hätt ich nur sieben Stunden Ruh, brauchte den Teufel nicht dazu, so ein Geschöpfchen zu verführen«, sagte Assmann, und Ehrlinspiel glaubte, ein unnatürliches Zittern in der Stimme des großen, starken Mannes wahrzunehmen.
    »Erste Reihe«, flüsterte der Pförtner und zwinkerte, als der Rotgekleidete rief: »Was hilft’s, nur grade zu genießen? Die Freud ist lange nicht so groß, als wenn Ihr erst herauf, herum, durch allerlei Brimborium, das Püppchen geknetet und zugericht.«
    Ehrlinspiel und Freitag gingen am Rand des Saals zur Bühne hinunter. Der Teppich dämpfte ihre Schritte. »Der hat tatsächlich die Chuzpe, zu proben, als sei nichts«, flüsterte Freitag.
    »Ich hab fast das Gefühl, dass er krank ist.« Ehrlinspiel musterte von schräg hinten die Köpfe in der ersten Reihe. Acht Personen, darunter zwei Frauen, wenn er es richtig sah. Eine hatte welliges dunkles Haar und schien sehr zierlich. Neben ihr, mit einer Kette, die im Nacken blitzte, eine Frau mit kurzem grauem Haar. Am liebsten wäre er sofort auf die Bühne gestürmt und hätte Assmann so lange geschüttelt, bis ein paar Tropfen Empathie und Verantwortungsbewusstsein aus ihm troffen.
    »Krank vor Ehrgeiz, meinst du?«
    »Nein, eher in Richtung Narzissmus. Wo ist denn bei dem Typ irgendwas von Mitgefühl für seine Frau oder die Kinder?«
    »Ach, Moritz, wir

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