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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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und atmete nichts als den dreckigen Staub des Zimmers.
    Visionen! Nichts als Visionen!,
und er flüsterte: »Es tut mir so leid, mein Mädchen. Verzeih mir, Annika.« Sein Blick fiel auf die Scherben, er stand auf, es knirschte unter seinen Füßen, sein Körper schmerzte überall, an der blutenden Hand, an den Armen, den Schultern, die er hochzog, als der Weinkrampf ihn schüttelte. »Verzeih, Rebecca. Verzeih, Marius.« Er drückte seine Stirn gegen das kühle Fenster. »Bitte, kommt zurück.«
    So stand er da und wartete auf die Erlösung, die nie kommen würde. Hörte auf den Tumult, das Trappeln und die hektischen Stimmen vor der Tür, er hörte die Worte »Interview«, »Erklärung« und »Stellungnahme« und den strengen Tonfall von Krenz und anderen Männern, die die Presse abwimmelten. Er hörte die entfernte Kirchturmuhr und zählte mit, nur um irgendetwas zu haben, das real war. Elf Schläge.
    Zwölf.
    Dann klopfte es an der Garberobentür. Er fuhr herum. Die Klinke wurde heruntergedrückt. Stille. Wieder klopfte es. Jemand rüttelte an der Tür. »Herr Assmann, bitte, machen Sie auf!« Es war Jo Krenz’ Stimme. »Wir haben … Ich bringe Sie jetzt nach Hause. Bitte, machen Sie auf.«

[home]
    25
    Montag, 25 . März, 0 Uhr 30
    E ine Windböe fuhr Ehrlinspiel durchs Haar, als er die Tür des Dienstwagens zuschlug und zwischen den nächtlichen Wiesen fast am Waldrand stand. Er holte tief Luft. Wechselte über das Wagendach einen kurzen Blick mit Freitag und sah dann hinüber zu den Polizeiautos und den drei Männern, die sich in ihren weißen Overalls im Flutlicht bewegten, direkt an der Kreuzung von Waldweg und Feldweg. Es sah gespenstisch aus, und obwohl es nach Tannen, feuchter Erde und Frühling duftete, glaubte er, den Tod riechen zu können.
    »Komm.« Freitag ging voraus.
    Ihre Schritte knirschten, als sie an dem hellen Kombi der Kriminaltechniker vorbeigingen. Direkt dahinter, die Motorhaube fast unter dem rot-weißen Absperrband, parkte eine dunkle Corvette Stingray mit offenem Verdeck. Auch das noch. Konnte der Kerl nicht einfach mal im Urlaub sein?
    Als hätte er Ehrlinspiels Gedanken gehört, trat Professor Reinhard Larsson – ebenfalls in einem weißen Overall – auf sie zu, stieg über das Absperrband und stellte lächelnd einen schwarzen Koffer neben sich ins Gras. Schnalzend zog er einen Latexhandschuh von der Hand, doch nicht, um sie den Kommissaren zu reichen, sondern um sich die Brille auf die Nase zu schieben.
    Ehrlinspiel vermutete einen Wichtigtuer-Reflex. Denn das schwarze Designergestell saß stets wie angegossen in dem symmetrischen Gesicht mit dem blonden Ziegenbärtchen.
    »Auch schon da?« Larssons Blick wanderte von Ehrlinspiels Anzugjackett über die gebügelte Hose bis zu seinen polierten Schnürschuhen. »Schick, die Herren. Vor der Beerdigung« – er musterte nun Freitag von unten bis oben – »muss ich allerdings noch Hand anlegen.«
    »Hallo, Reinhard.« Die Corvette war das einzig Geschmackvolle an dem Rechtsmediziner. Doch das hier war nicht der Ort für persönliche Animositäten. »Lukas meint, der Junge ist Marius Assmann?«
    »Hauptkommissar Felber ist offenbar ein hellsehendes Genie. Ich vertraue ausschließlich meinen DNA -Analysen. Meinetwegen auch einer Identifizierung durch die Eltern.«
    Sofort setzte das Pochen in Ehrlinspiels Schläfen ein. »Du kennst die Fahndungsfotos. Die Beschreibung. Du hast eine erste äußere Leichenschau vorgenommen.« Er sah auf Larssons Tatortkoffer. »
Könnte
es der junge Assmann sein?«
    »Könnte, könnte. Jeder könnte es sein. Jeder zwischen sechzehn und zweiundzwanzig Jahren, der seit schätzungsweise einem Tag hier tot im Graben liegt.«
    »Seit
einem
Tag?« Ehrlinspiel drückte die Fingerspitzen gegen die Schläfen. Nein, das konnte unmöglich sein. Der Tote war nicht Marius Assmann. Er
durfte
nicht Marius Assmann sein. »Bist du sicher? Marius war also schon
vor
der Theateraufführung tot?«
    Larsson hob die Hände. »Der, der da drüben liegt, auf jeden Fall. Geh ruhig hin und schau ihn dir an.« Er deutete zu den anderen Männern. »Die Totenstarre ist vollständig ausgeprägt. Da bewegst du keinen Millimeter mehr, nicht mal Kniegelenke, Schultern oder Hüfte.«
    Also mindestens acht Stunden tot, dachte Ehrlinspiel. Eher länger bei den noch kühlen Temperaturen.
    »Der Junge wurde wahrscheinlich in den letzten Stunden nicht mehr bewegt. Die Livores« – Larsson seufzte, als Ehrlinspiel die Augen verdrehte –,

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