Zeit der Dunkelheit (Band 4)
Kinderstube hatte Mohnfrost vor Schmerz aufgejault.
»Sie hat einen Dorn im Auge«, rief Honigfarn entsetzt. »Ein Zweig hat sich aus der Kinderstubenwand gelöst!«
»Dabei dachte ich, ich hätte sie alle wieder zurückgestopft!« Graustreif kam über die Lichtung galoppiert.
»Kein Grund zur Panik!« Blattsee löste sich von Häherpfotes Seite. »Die Dornen sind nicht groß. Mehr als einen Kratzer können sie ihr nicht zugefügt haben.«
Häherpfote rannte zum Heilerbau. Für Mohnfrost war gesorgt. Er hatte etwas Wichtigeres zu erledigen.
Er brach durch den Brombeervorhang und hörte Moos rascheln, als sich Rußpfote in ihrem Nest regte.
»Was ist los?«, rief sie erschrocken.
»Du musst schwimmen!«, miaute Häherpfote aufgeregt.
»Schwimmen?«, fragte Rußpfote erstaunt. »Aber ich kann doch gar nicht schwimmen!«
»Wenn du es versuchst, wirst du sehen, dass es geht.« Häherpfote eilte zu ihrem Nest. »FlussClan-Katzen schwimmen ständig.«
»Deshalb gehören sie ja auch zum FlussClan.«
»Denk doch mal nach!« Häherpfote tappte neben ihr auf und ab, still stehen konnte er nicht. »Du kannst dein Bein im Wasser trainieren. Du musst es dabei nicht belasten und es wird trotzdem kräftiger.«
»Kräftiger?«, wiederholte Rußpfote verwirrt.
»Es geht wie Laufen, nur leichter«, erklärte Häherpfote eindringlich.
»Wo soll ich denn schwimmen?«
»Im See natürlich!«
»Und wie komme ich da hin?«
»Den Rückweg ins Lager hast du doch auch geschafft«, erinnerte Häherpfote. »Und seitdem hast du dich ausgeruht.«
»Woher weiß ich, was ich machen soll?«
»Ich werde es dir sagen.« Häherpfote ignorierte die leise Furcht, die unter seinem Pelz prickelte, wenn er daran dachte, dass er nasse Pfoten bekommen würde.
»Du?« Ein belustigtes Schnurren rasselte in Rußpfotes Kehle. Zum ersten Mal seit ihrem Unfall hatte sie geschnurrt.
Jetzt wusste Häherpfote, dass er sie überzeugen konnte. »Ich werde mein Bestes tun«, versprach er.
»Blattsee wird uns für mäusehirnig halten.«
»Dann sagen wir ihr eben nichts davon. Es wird unser kleines Geheimnis sein. Denk dir, wie überrascht sie sein wird, wenn sie dich wieder auf vier Pfoten laufen sieht.«
Rußpfote sagte nichts, aber Häherpfote entdeckte, wie eine kleine Hoffnungsknospe in ihrem Kopf aufblühte.
»Einverstanden«, sagte sie schließlich.
»Wir fangen gleich morgen an.« Häherpfote war glücklich. »Dann wird es dir bald besser gehen.«
Rußpfote versetzte ihm mit der Schwanzspitze einen Klaps übers Ohr. »Wenn ich nicht vorher ertrinke.«
9. KAPITEL
Häherpfote schlug die Augen auf. Er hörte, wie sich Blattsee in ihrem Nest streckte. Es dämmert wohl schon. Die Heiler-Katze setzte sich auf und gähnte. Häherpfote wartete darauf, dass sie sich auf den Weg zum Schmutzplatz machte, was sie frühmorgens stets als Erstes tat.
Das Moos in seinem Nest kitzelte ihn in der Nase. Er nieste, dann prüfte er die Luft. Es war trocken und warm und roch nach Sonnenschein. Ein guter Tag, um mit Rußpfote zum See zu gehen. Er setzte sich auf. Selbst wenn Rußpfotes Bein durch die Schwimmübungen nicht geheilt wurde, würde er Blattsee damit zeigen können, dass er ihre Patientin jedenfalls noch nicht aufgegeben hatte.
»Häherpfote?« Rußpfote rief nach ihm. »Blattsee ist weg.« Sie hörte sich nervös an. »Aber sie kommt bestimmt gleich zurück. Vielleicht sollten wir die Idee mit dem Schwimmen noch eine Weile verschieben.«
»Wenn wir uns beeilen, sind wir weg, bis sie zurückkommt.« Er war genauso nervös, wollte aber weder sich noch Rußpfote dadurch von ihrem Vorhaben abbringen lassen. »Wir müssen es einfach versuchen.«
Rußpfote seufzte resigniert, dann raschelte es in ihrem Nest, als sie aufzustehen versuchte. »Autsch!«
»Dein Bein ist bloß steif«, versicherte ihr Häherpfote.
»Kann ich ein paar Mohnsamen haben, damit es nicht mehr so wehtut?«, bettelte Rußpfote.
»Nein.« Häherpfote blieb standhaft. »Davon wirst du schläfrig, und du musst deine Sinne alle beisammen haben, wenn du schwimmen lernen willst.«
Stille. Dann miaute Rußpfote mit entschlossener Stimme: »Also gut.«
Häherpfote glitt an ihre Seite und presste sich mit der Schulter an sie, um sie zu stützen. Sie war schwer, und es kostete ihn Kraft, ihr so aus dem Bau zu helfen.
Vor dem Brombeervorhang angekommen, suchte er die Lichtung ab, indem er die Luft prüfte und mit gespitzten Ohren nach Lebenszeichen Ausschau hielt. Eichhornschweif kam
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