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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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sich auf den Sessel fallen, legte das Gesicht in die Hände und versuchte, die widersprüchlichen Möglichkeiten seiner komplexen Zukunft auszublenden. Welchen Weg er auch wählte, er schien zum Untergang verurteilt zu sein. Er konnte unmöglich hier bleiben, aber was würde er bei seiner Heimkehr vorfinden? Wie würde er sich fühlen, wenn Isabel ihn wegen dieses schleimigen Deveraux verließ? Wo würde er wohnen?
    Jemand klopfte energisch an die Tür. Dafydd sprang von seinem rosa Lehnstuhl hoch und stopfte sein Hemd in die Jeans. Es war ein Klopfen, das nach Sheila klang. Sofort ärgerte er sich über seine Reaktion. Sie hatte keinen Grund, ihn unangekündigt in seinem Zimmer aufzusuchen. Er setzte sich wieder hin und beschloss, nicht zu reagieren. Es pochte erneut, diesmal noch heftiger. Dafydd fluchte und ging zur Tür. Es war Hogg.
    »Hogg!«, rief er. Hogg runzelte die Brauen. »Andrew … Bitte kommen Sie rein.«
    Hogg marschierte herein und ließ den Blick kurz durch den Raum schweifen, über die Unordnung und das ungemachte purpurne Bett. »Verzeihen Sie, dass ich Sie überfalle. Ich bin telefonisch nicht durchgekommen, und da dachte ich, dass ich einfach zu Ihnen rübergehen könnte. Es ist ein schöner Tag, aber die Bürgersteige sind tückisch. Das hätte mir jetzt gerade noch gefehlt – auszurutschen und mir ein Bein brechen.«
    »Sie brauchen mukluks«, sagte Dafydd und zeigte auf Hoggs Füße, die in teuren italienischen Schuhen steckten. »Die haften auf allem. Ich habe mir selbst vorgenommen, heute Nachmittag zum Friendship Centre zu gehen und mir ein Paar zu besorgen.«
    »Sie werden in Ohnmacht fallen, wenn Sie die Preise sehen. Eingeborenenhandwerk ist für uns hiesige Normalbürger unerschwinglich geworden. Daran ist der Tourismus schuld.«
    Sie standen in der Mitte des Zimmers, und Dafydd verfluchte sich, weil er vergessen hatte, Tillie um ein paar ordentliche Stühle zu bitten. Er wies auf den Lehnstuhl, aber Hogg, der hoffnungslos rundlich war, stellte sich vor, sich in das hängemattenähnliche Ding zu setzen und sich anschließend wieder daraus hochwuchten zu müssen, und meinte: »Lassen Sie uns doch über die Straße in den Imbiss gehen. Dort backen sie einen guten Apfelkuchen nach alter Hausfrauenart.«
    Dafydd schnürte seine Stiefel zu, griff nach seinem Parka und überlegte, welchen Anlass dieser Besuch wohl hatte. Hogg machte keine Höflichkeitsbesuche, und sie waren auch nie Freunde geworden. Hogg schien ziemlich oberflächlich zu sein, aber er liebte Sheila. Alle wussten das, und Dafydd fragte sich, ob diese unerwartete Ehre ihr zu verdanken war. Vielleicht hatte Hogg etwas herausbekommen oder es von ihr erfahren.
    Sie überquerten die Straße und setzten sich an einen durch Trennwände abgeteilten Tisch mit Sicht nach draußen. Hogg begrüßte die Kellnerin mit übertriebener Höflichkeit. »Das Übliche, zweimal«, sagte er zwinkernd.
    »Wir haben Sie vergangene Woche in der Kantine vermisst«, meinte er mit aufgesetztem Schmollen. »Ich war ziemlich enttäuscht. Man hat mir erzählt, dass Sie länger hierbleiben wollen … Stimmt das?« Er klopfte mit seinem kurzen, dicken Zeigefinger auf die Tischmitte, um eine Erklärung für dieses ungewöhnliche Verhalten aus Dafydd herauszulocken.
    Dafydd war auf die Situation nicht vorbereitet. Sheila wollte nicht, dass die Tatsachen bekannt wurden. Andererseits – warum sollte sie darüber zu bestimmen haben, mit wem er darüber sprach?
    Gewiss, die Kinder mussten so weit wie möglich geschützt werden, aber Hogg war der sie behandelnde Arzt. Ohne Zweifel war er ohnehin informiert, denn er hatte bestimmt die Blutabnahmen für die DNA-Tests durchgeführt.
    »Na ja, es ist kompliziert … Können Sie Folgendes für sich behalten, Andrew?«
    »Natürlich, natürlich. Schießen Sie los, schießen Sie los.«
    »Es hat den Anschein, dass ich der Vater von Sheilas Kindern bin. Mehr noch: Ich bin der Vater von Sheilas Kindern. Das ist der Grund, warum ich hier bin.«
    Der Schock trieb Hogg das Blut aus dem Gesicht, und einen Moment lang erweckte er den Eindruck, er werde das Bewusstsein verlieren. Er starrte Dafydd an, aber die Verwirrung ließ seine Augen unscharf erscheinen, als sähe er Dafydd durch einen Schleier.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Dafydd. Plötzlich erinnerte er sich an Ians Worte, dass Hogg sich verhalte, als wäre er der Vater. Vielleicht glaubte er, es zu sein.
    »Natürlich, ja«, schnaufte Hogg. »Es kommt mir einfach

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