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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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Wasser. Er schwamm in einem erstaunlich anmutigen Kraulstil davon. Dafydd saß verblüfft da und beobachtete, wie Mark rasch hin und her glitt, ganz erheblich schneller, als Dafydd es je vermocht hatte. Als er sich schließlich aus dem Pool stemmte, folgte Dafydd ihm in den Umkleideraum. Auch dort waren noch keine Frühaufsteher anzutreffen.
    »Was genau meintest du damit, dass ich nicht dein Vater bin?«, fragte Dafydd.
    Mark trocknete sich hastig ab und verschwand dann in eine Kabine, um sich anzuziehen. »Es ist schon spät, und ich muss zur Schule«, rief er über die Trennwand hinweg.
    »Blödsinn«, erwiderte Dafydd, »es ist gerade mal halb acht. Ich lade dich zum Frühstück ein, wenn du dich beeilst.«
    Sie saßen in der Cafeteria des Northern Holiday Hotels, das zu Fuß nur fünf Minuten vom Sportzentrum entfernt lag. Trotz ihres Sprints waren beide um Ohren und Nase blau, weil sie sich mit noch feuchten Haaren bei minus zwanzig Grad nach draußen gewagt hatten.
    »Wahrscheinlich gibt es hier nichts, was ich essen kann«, sagte Mark und überflog die Karte.
    »Wie wäre es mit einer großen Schale Hafergrütze mit Zimt und Honig, gefolgt von Röstis mit Bohnen in Tomatensoße und gebratenen Tomaten und Pilzen, dazu Toast mit Margarine und Marmelade sowie Fruchtsalat?«, schlug Dafydd beiläufig vor und fingerte an den zerknickten Ecken der Plastikspeisekarte herum.
    Zweifellos gab es einen Spalt im Panzer, durch den man sich dem Jungen nähern konnte, solange es ums Essen ging. Angesichts des Mangels an Interesse und Verständnis seiner Mutter und der Lebensmittelverkäufer in der Stadt hatte es das arme Kind bei seiner Suche nach veganer Nahrung schwer. In seine blassen Augen trat ein Funkeln, aber dann ließ Mark die Schultern sacken und meinte deprimiert: »Ich bezweifle, dass sie all das haben.«
    Aber sie hatten alles, und Dafydd, der schon immer eine Vorliebe für pflanzliche Köstlichkeiten gehegt hatte, schloss sich ihm bei dem Schmaus an. Als sie die Mahlzeit, vorwiegend in konzentrierter Stille, hinuntergeschlungen hatten, unternahm Dafydd einen neuen Versuch. »Ich weiß, dass du mit all dem überfallen worden bist, aber wir könnten doch versuchen, einfach Freunde zu sein.«
    Mark blickte auf seine wuchtige Uhr. »Na, guck uns doch nur mal an«, entgegnete er, »wir sehen uns nicht einmal ähnlich. Du bist auf keinen Fall mein Vater. Vielleicht der meiner Schwester, aber nicht meiner.«
    »Aber das ist völlig unmöglich«, widersprach Dafydd. »Das musst du doch wissen.«
    »Also, ich bin nicht dein Sohn. Ich weiß es einfach. Geh einem anderen auf den Geist.« Er schien seine letzten Worte zu bedauern und ergänzte: »Mann, ich bin richtig voll.«
    Dafydd beeilte sich, zum Krankenhaus zu gelangen. Jetzt, nach einer Woche, war er froh, dass er sich einverstanden erklärt hatte, die Vertretung zu übernehmen. Fünftausend Dollar kamen ihm sehr gelegen. Nichts in dieser Stadt, möglicherweise einem der teuersten Außenposten der Welt, war umsonst, und er würde bald damit beginnen müssen, Sheila etwas zu zahlen.
    Bei seiner Suche nach der Wahrheit hatte er keine Fortschritte gemacht. Im Gegenteil, es schien, als werde er seinen Teil bei der Erzeugung der Zwillinge akzeptieren müssen. Immer wenn er versuchte, an die Zeit ihrer vermutlichen Entstehung zu denken, leerte sich sein Bewusstsein, wahrscheinlich, weil er die Sache so viele Male in seinem Kopf herumgewälzt hatte. Und niemand, mit dem er gesprochen hatte, konnte ihm irgendeinen Hinweis liefern. Miranda hatte ihm ihre Geburtsurkunden gezeigt, ohne dass er sie dazu aufgefordert hatte (allerdings mochte Sheila das getan haben), und die Daten passten perfekt. Bis er den Zeitpunkt für gekommen hielt abzureisen, würde ihm die Arbeit jedenfalls ein anderes Betätigungsfeld bieten und ihn davon abhalten, grübelnd herumzusitzen.
    Mark hatte recht, Sheila war totsauer gewesen. Sie wollte ihn nicht im Krankenhaus haben, basta. Aber da Hogg ihn persönlich angeworben hatte, war sie nicht in der Lage, ihm Einhalt zu gebieten. Ihre Drohungen mit der Einwanderungsbehörde waren leeres Geschwätz. Hogg wusste, wie man Hindernisse umschiffte. Es war alles eine Frage des Umgangs mit der Bürokratie.
    »Du hast es Hogg erzählt«, zischte sie, als sie sich darauf vorbereiteten, den Leistenbruch eines Babys zu operieren.
    »Ja, ich hab’s ihm erzählt. Er hat versprochen, es für sich zu behalten.« Dafydd hatte gerade seine Hände gesäubert und zog

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