Zeit der Eisblueten
aufnehmen konnte. Aber welche Fäden? Sein Zuhause war möglicherweise schon verkauft worden, einfach so. Bald würde er wegen Trunkenheit am Steuer vor Gericht stehen. Seine Ehe war vielleicht beendet. War all das wirklich wahr? Konnte es wirklich geschehen sein?
»Ich habe Mark heute Morgen im Schwimmbad getroffen«, sagte Dafydd schließlich und brachte sie damit in das Hier und Jetzt zurück. »Er ist ein sehr seltsames Kind. Er bestand darauf, dass ich nicht sein Vater bin.«
»Er sieht niemandem ähnlich«, erwiderte Ian, zündete sich eine weitere Zigarette an und inhalierte tief.
»Du hast nicht erwähnt, dass du die Blutabnahmen für die DNA-Tests durchgeführt hast«, meinte Dafydd leise.
Ian wich seinem Blick aus und rauchte beharrlich. »Ich hatte keine Ahnung, wofür das Blut war. Sie hat sich geweigert, es mir zu sagen.« Laut schluckend kippte er den Inhalt seines Glases hinunter. Dann schenkte er beiden ein wenig nach.
Dafydd zitterte vor Kälte, während er Miranda und acht anderen Mädchen, die alle ein wenig kleiner als sie waren, dabei zusah, wie sie auf der Eisbahn hinter dem Sportzentrum im grellen Licht der Scheinwerfer ihre Eiskunstlauffiguren übten. Dies bildete einen Großteil seiner Beziehung zu den Kindern: sie abends zu ihren unterschiedlichen Aktivitäten zu bringen, dann zu warten, bis sie damit fertig waren, und sie schließlich wieder nach Hause zu fahren, wodurch er Sheila von dieser ermüdenden Aufgabe befreite. Sie schien sich inzwischen mit der Tatsache abgefunden zu haben, dass die Leute schwatzten und Mutmaßungen anstellten, und Miranda beherzigte ihre Ermahnungen nicht, Stillschweigen zu wahren.
Und wie die Leute redeten! Er bemerkte vielsagende Blicke und Gesten von Personen, die er nicht kannte, die jedoch ihn kannten – entweder vom Krankenhaus her oder dadurch, dass andere sie auf ihn hingewiesen hatten. Der irregeleitete Vater war zurückgekommen, um endlich das Richtige zu tun. »Schau mal, Dad«, rief Miranda ihm zu. Sie machte eine unbeholfene Pirouette in ihrem orangefarbenen Schneeanzug, der unpassenderweise mit einem weißen Ballettröckchen um ihre dralle Taille verziert war. Dafydd bemühte sich, nicht zu grinsen, und applaudierte leise mit seinen Schaffellfäustlingen. Sie war ein nettes Kind und hatte überhaupt nichts Schwieriges an sich, obwohl ihre Sturheit und ihr Selbstbewusstsein an ihre Mutter erinnerten.
Wenn Mark nicht dabei war, hatten Miranda und Dafydd Spaß daran, sich üppigen Fast-Food-Mahlzeiten hinzugeben und sich über die monströsen Portionen Maischips mit saurer Sahne und geschmolzenem Käse lustig zu machen, die sie liebte. »Du solltest auf die bösen gesättigten Fette achten«, ermahnte er sie. »Schließlich willst du kein kugelrunder Wonneproppen werden.«
»Gib mir massenhaft gesättigte Fette«, gluckste sie. »Du kannst dir nicht vorstellen, was für Kämpfe wir zu Hause ums Essen ausfechten. Mom ist genauso schlimm. Jeder will was anderes. Es ist ein Alptraum. Kann ich einen Schokoladenmilchshake haben?«
»Du musst vorsichtig sein, oder du wirst bald nicht mehr in das hier passen«, meinte er und hob das schlaffe Ballettröckchen auf, das sie abgestreift hatte, »selbst wenn du keinen Schneeanzug darunter anziehst.«
»Dad, du erinnerst dich doch an diese Turnschuhe, von denen ich dir erzählt habe …?«
»Wie teuer?«
»Achtundzwanzig.«
»Gut. Was soll’s.«
»Danke, Dad … Dad?«
»Was noch?«
»Könnten du und meine Mom nicht mal … so was wie … miteinander ausgehen?«
»O Miranda, du bist wirklich schlau. Aber du weißt doch selbst, dass deine Mom mich nicht sonderlich mag. Außerdem bin ich verheiratet. Hast du das vergessen?«
»Aber wenn sie dich mögen und deine Frau dich verlassen würde, dann würdest du es tun, nicht?«
»Mein liebes Kind, ich will ehrlich sein. Meine Frau könnte mich durchaus verlassen. Nicht euretwegen, keine Sorge, ausschließlich meinetwegen. Vielleicht hältst du mich für äußerst sympathisch, aber ich bin manchmal sehr dumm und mache alle möglichen Fehler. Das wirst du noch früh genug feststellen. Aber mit deiner Mutter auszugehen wäre ein Fehler, den höchstwahrscheinlich weder sie noch ich machen würde. Sei nicht enttäuscht. Es ist so absolut das Beste. Glaube mir.«
»Mark und ich … Ich wette, wir sind auch Fehler, stimmt’s?«
Dafydd blickte in ihr hübsches Gesicht, dessen Augen misstrauisch zusammengekniffen waren. »Nein, Miranda«, versicherte er.
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