Zeit der Eisblueten
wenig Freude; sie lieferten die Erklärung für Ian Brannagans Verfall und für sein Ende. Die Männer öffneten die andere Truhe, und alle drei schrieben etwas in ihre Notizbücher. Dabei behielten sie die Handschuhe aus feinem Schweinsleder an, um ihre Finger vor der Kälte zu schützen.
»Die nehmen wir mit«, sagte Dawson, und die beiden Jüngeren trugen die Truhen zum Transporter. Dawson wollte gerade mit der Durchsuchung der Hütte beginnen, als Dafydd ihn zurückhielt.
»Ich kenne mich mit kanadischem Recht nicht aus, aber ich muss sagen, dass ich wegen der Kinder besorgt bin. Was für eine Strafe wird Miss Hailey wohl für so etwas erhalten? Natürlich, die Kinder haben mich, ihren Vater, aber die Sache wird schwer für sie werden.«
Dawson schüttelte den Kopf. »Oh. Das wird übel ausfallen. Mehrere Jahre. Sie sollte sich lieber einen höllisch guten Anwalt besorgen.«
Dafydd lächelte unwillkürlich. »Wie es sich so trifft, hat sie sich schon einen besorgt. Einen echten Hai.«
»Aha.« Dawson klopfte Dafydd mitfühlend auf die Schulter. »Da Sie es nun selbst erwähnen, kann ich Ihnen ja sagen, dass ich weiß, weshalb Sie hergekommen sind. Solche Dinge werden mir in der Regel zugetragen. Als ich es erfuhr, haben Sie mir leidgetan. Anscheinend wussten Sie vorher nichts von den Kindern, oder?«
»Das ist richtig«, bestätigte Dafydd mit ungutem Gefühl. Er musste das Thema wechseln. »Etwas anderes. Ich habe Brannagans Hund heute Morgen aus Mitleid eingeschläfert. Er lag in den letzten Zügen, im Wortsinne. Er war schon sehr alt und ganz und gar auf Brannagan fixiert. Ich glaube, er wäre in Kürze von selbst gestorben, wenn ich ihm nicht dabei geholfen hätte. Gibt es vielleicht die Möglichkeit, dass Sie ihn mitnehmen und die beiden gemeinsam bestatten …«
Die Männer erhielten die Anweisung, sich kurz in der Hütte umzusehen und dann das traurige Bündel in den Transporter zu legen. Dawson versuchte, Dafydd zu überreden, mit ins Krankenhaus zu kommen, um seine Erfrierungen behandeln zu lassen, aber der lehnte ab.
Nachdem die Mounties verschwunden waren, kehrte er ein letztes Mal in die Hütte zurück, um sich nach irgendeinem Erinnerungsstück an Ian umzusehen. Schließlich entschied er sich für die Skier und die Stöcke – ein schmerzlicher Hinweis auf Ians letzte Reise. Er schob sie in den Buick. Dann schloss er die Tür zu Ians Heim und hoffte inständig, es nie wieder sehen zu müssen.
Der Buick steckte eindeutig in der Schneewehe fest, und Dafydd verfluchte sich, dass er Dawsons Männer nicht gebeten hatte, ihm zu helfen. Er legte seinen Parka sowie alle anderen Gegenstände, die er draußen finden konnte, unter die Räder, und schließlich gelang es ihm, das verdammte Automobil zu befreien. Er fuhr weg, ohne sich noch einmal umzublicken.
Auf dem Weg zum Krankenhaus staunte er über die Bewahrheitung der Theorie von der Macht des Geistes über die Materie. Er hatte den ganzen Morgen lang durchgehalten; seine frostgeschädigten Hände waren seine einzigen Geräte gewesen, und es war ihm gelungen, die Schmerzen weitgehend zu ignorieren. Aber jetzt machte sich die Qual mit aller Heftigkeit bemerkbar. Außerdem fühlte er sich ausgelaugt, und ihm war übel.
»Wer ist heute da?«, fragte er Veronica, eine neue Krankenschwester aus Winnipeg, die ihm auf dem Flur begegnete. Ihr Gesicht war ziemlich bleich, und sie wirkte betrübt.
»Hogg, Lezzard, Kristoff«, sagte sie und betrachtete die verdreckten Lumpen, die er sich um die Hände gewickelt hatte. »Atilan ist gerade gegangen.« Die Schwester trat einen Schritt auf ihn zu und flüsterte : »Sie sind gerade alle aus der Leichenhalle hochgekommen. Ich nehme an, dass Sie’s nicht wissen … Ian Brannagan ist letzte Nacht erfroren.«
Dafydd klopfte ihr leicht auf die Schulter. »Ich weiß es.«
»Ich kannte ihn eigentlich gar nicht richtig«, meinte das Mädchen mit einem halben Schluchzen, »aber es ist furchtbar.«
»Sie werden sich an derartige Dinge gewöhnen. Die geschehen hier recht häufig. Ich kannte Ian ziemlich gut, und glauben Sie mir, er hat jetzt seinen Frieden.«
Veronica nickte, wischte sich die Augen mit einem Taschentuch trocken und setzte ihren Weg durch den Flur fort.
Hogg blickte überrascht auf, als Dafydd blass, zerzaust und mit wilder Miene in sein Sprechzimmer trat und die Hände ausstreckte.
»Ja, ich habe Ian gefunden«, sagte Dafydd vorwegnehmend. »Ich werde Ihnen in einer Minute darüber berichten, wenn
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