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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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Zwillinge sind versorgt; vielleicht nicht so, wie sie es sein sollten, aber sie haben dann noch immer eine Mutter. Eine dritte: Lass Sheila für ihre Schiebereien und den Drogenhandel bezahlen und lass jeden weiterhin glauben, dass du der Vater der Kinder bist – eine Rolle, die du dann auch selbst weiterhin auf unbestimmte Zeit spielen musst …
    Dafydd musterte die beiden Briefe, einen in jeder Hand, während das Surren näher kam.

KAPITEL
21
    I CH GLAUBE , S IE sollten sich das hier mal ansehen«, sagte Dafydd, als Dawson und er beobachteten, wie die beiden untergebenen Polizisten den sperrigen Schlitten in den Transporter luden. Sie standen im Schnee vor Ians Hütte, die so erbärmlich und baufällig wirkte, als habe seit Jahrzehnten niemand mehr darin gewohnt. Mit seinen notdürftig bandagierten Händen überreichte Dafydd dem Beamten einen Umschlag. »Brannagan hat diesen Brief in dreifacher Ausfertigung in seinem Schlafzimmer hinterlassen. Einer war an mich adressiert. Es ist leicht zu durchschauen, was die Tragödie verursacht hat.«
    Dawson zog seine Handschuhe aus, um den Umschlag zu öffnen. Dann suchte er in seinen Manteltaschen umständlich nach seiner Brille und drückte sie sich auf die Nase. Seine Gesichtszüge spannten sich beim Lesen, und seine zusammengezogenen Brauen spiegelten den Ernst der Angelegenheit wider. Er grübelte sichtlich über den Inhalt nach, um das enorme Ausmaß von Sheilas kriminellen Geschäften zu erfassen.
    »Gott im Himmel«, rief er, als er schließlich die ganze Tragweite von Ians Brief begriffen hatte. »Wenn das stimmt, ist es absolut erstaunlich, dass man sie nie erwischt hat.«
    »Ich wusste, dass mit Brannagan irgendetwas nicht stimmte«, log Dafydd mühelos. »Ich gebe mir selbst Schuld, weil ich nicht gemerkt habe, dass er große Mengen an Drogen zu sich nahm. Vermutlich habe ich schon zu lange nichts mehr mit der allgemeinen Praxis zu tun.«
    Dawson schüttelte finster den Kopf. »Diese Frau … Im Laufe der Jahre sind da ein paar Sachen vorgefallen. Ich darf natürlich nicht sagen, worum es geht, aber ich hatte da so meine Vermutungen.«
    »Oh. Welche zum Beispiel?«
    Dawson zögerte. »Können wir erst mal bei Dr. Brannagan bleiben«, erwiderte er schließlich. »Ich habe gehört, dass Sie ihn in letzter Zeit ziemlich oft besucht haben. War dies Ihrer Meinung nach, Dr. Woodruff, kein Unfall? Glauben Sie, dass solch eine Sucht Grund genug für einen Mann ist, sich das Leben zu nehmen?«
    Dafydd blickte in Dawsons Gesicht, das offen und vertrauensvoll wirkte. Er schien sehr viel über jeden Einzelnen zu wissen, aber an einem kleinen Ort wie diesem und angesichts der vielen Jahre, die er hier verbracht hatte, war das nicht verwunderlich. Und seine Frage kam Dafydd völlig gerechtfertigt vor.
    »Vielleicht nicht für sich betrachtet. Aber Dr. Brannagan litt seit langem unter einer Depression. Sie war der Grund, weshalb ich mich um ihn gekümmert habe. Leider weigerte er sich, sie anzuerkennen, und wies jede Hilfe zurück. Vielleicht spielte auch die Befürchtung mit, entdeckt zu werden.«
    »Hat er nicht auch ein bisschen viel geschluckt?« Dawson hob die Hand, als gieße er etwas aus einer Flasche ein. »Laut meinen Quellen hat er zwei Flaschen pro Tag geleert.«
    »Na ja«, antwortete Dafydd geschickt. »Ihre Quellen übertreiben vielleicht ein wenig, aber im Grunde stimmt es.«
    »Trotzdem fragt man sich«, sinnierte Dawson, »was einen Mann dazu bringt, erfrieren zu wollen.«
    Dafydd zuckte bei dem Gedanken an den anderen Brief zusammen, der tief in seiner Tasche steckte. Er machte sich selbst einer gewaltigen Vertuschung schuldig. Zwar hatte er keine Ahnung, wohin dies führen konnte, aber jedenfalls wusste er, dass Sheila dem Gefängnis nicht entgehen würde. Und wenn er seine spontane Entscheidung nicht durchhielt, würde er die Kinder der Gnade der Sozialbehörden ausliefern.
    Als spüre er Dafydds Unbehagen, sagte Dawson: »Wir müssen uns hier gründlich umsehen. Vielleicht finden wir etwas.«
    »Warum beginnen Sie nicht an der Stelle, die Brannagan vorgeschlagen hat?« Dafydd nickte in Richtung Schuppen, und Dawson befahl seinen Kollegen, ihm zu folgen.
    Der Schuppen enthielt zahlreiche Überbleibsel von Ians Leben in der Hütte, und der größte Teil davon befand sich in den beiden Truhen. Dawson öffnete den Riegel der einen und hob den Deckel. Vor ihnen lag eine Unmenge kleiner Glasbehälter, Sinnbild jahrelangen Elends und vielleicht auch von ein

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