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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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nicht. Angutitaq hat ihm gegenüber sehr schlechte Gefühle. Eine endlose Geschichte. Er hatte ein Kind mit einer anderen Frau. Jetzt sitzt er im Gefängnis, weil er einem Mann bei einer Schlägerei die Finger abgehackt hat.« Bear gluckste leise vor sich hin. »Der Schuft hat ihnen allen einen Gefallen getan. Er war der Hauptgrund dafür, dass die Älteren für ein Alkoholverbot in Black River gestimmt haben.«
    »Sind sie getrennt … oder geschieden?«
    Bear blickte ihn verständnislos an. »Er ist im Gefängnis. Das habe ich dir doch gesagt. Nun psst.«
    Angutitaq versuchte, Dafydd die Namen seiner Gäste beizubringen, und Dafydds Bemühungen, sie auszusprechen, löste unter den Alten eine riesige Heiterkeit aus. Sie krümmten sich vor Lachen; Tränen rannen ihnen von den Wangen, und sie baten ihn unablässig, die Namen zu wiederholen. Dafydd wusste nicht so recht, ob sie über ihn oder über seine Unfähigkeit lachten. Eine alte Dame namens Kenojuaq, die neben ihm saß, tätschelte seinen Schenkel und machte ihn auf eine Art Plakette aufmerksam, die sie an einer Lederschnur am Hals trug.
    »Meine Eskimo-Nummer«, erklärte sie mit ihrer Singsang-Stimme. »Als ich noch ein junges Mädchen war, sagte uns die Regierung, dass wir sie ständig tragen und darauf achten müssten, sie nicht zu verschmutzen oder zu verlieren. Wir sollten unsere Namen aufgeben, weil sie zu schwer auszusprechen sind. Aber die meisten von uns haben sie wiederentdeckt und sind zu ihnen zurückgekehrt.«
    »Müssen Sie die noch immer tragen?«, fragte Dafydd entsetzt und ließ seinen Blick über die Hälse der anderen Anwesenden schweifen. Dies löste weitere Heiterkeit aus.
    Nur die Tochter lachte nicht, sondern wirkte gequält. Sie flüsterte Dafydd ins Ohr: »Sie würde es nicht zugeben, aber sie ist stolz auf ihr Schildchen. Es hat eine lange, lange Zeit überdauert.«
    Dafydd drehte sich zu ihr um. Aus der Nähe schien ihr Gesicht sogar noch jünger zu sein. Ihre Haut war zart und glatt wie die eines Babys.
    »Wohnen Sie in diesem Haus?«, fragte er.
    »Nein, nicht immer.« Sie lächelte. »Ich habe mein eigenes Haus.«
    Aber hatte sie auch ein eigenes Leben in dieser winzigen Siedlung ohne Straßen, Läden, Restaurants, ohne alles außer riesigen Flächen einer herrlichen, aber eisigen Landschaft? Die Menschen waren so alt. Er hätte sich gern länger mit ihr unterhalten, aber sie war beschäftigt oder gab ihm keine Gelegenheit zu einem Gespräch. Ihre Augen schienen ständig in Bewegung zu sein, obwohl er sie ein paarmal dabei ertappte, dass sie zu ihm hinschaute. Schließlich, ziemlich spät am Abend, setzte sie sich neben ihn.
    »Mögen Sie ländliche Speisen?«
    »Ich mag die meisten Gerichte. Was genau sind ländliche Speisen?«
    Sie beugte sich seitlich zu ihm und zählte die Gerichte mit vor Konzentration zusammengezogenen Brauen an den Fingern auf.
    »Na, Karibu, das ist am ländlichsten, entweder als quaq oder als mipku oder im Eintopf. Fisch, geräuchert oder getrocknet. Seehund ist gut, vor allem die Flossen. Hik-hik. Ich habe schon ein paar Gänse und Enten gesehen. Sie scheinen dieses Jahr früh gekommen zu sein. Wenn ich morgen eine entdecke, könnte ich sie schießen.« Sie blickte ihn an. »Was würden Sie gern probieren?«
    »Mir ist alles davon recht«, antwortete er und fügte lächelnd hinzu: »Solange es ländlich ist.«
    »Morgen«, sagte sie und kehrte in die Küche zurück.
    Dafydd verbrachte eine unruhige Nacht in seinem Schlafsack auf dem durchgesessenen alten Sofa. Der zweite Tag begann und verstrich ähnlich wie der erste. Im Wohnzimmer herrschte ein Kommen und Gehen von Leuten, die aßen, rauchten und unendliche Mengen Tee tranken. Dafydd sehnte sich danach, die Umgebung zu erkunden, aber man konnte nur quer über die völlig plane Ebene wandern. Am Mittag ging er zum Ufer hinab, umringt von fünf Kindern, den einzigen im Dorf. Sie alle wollten unbedingt mit ihm über Motorräder und Filme sprechen. Das schmelzende und aufreißende Eis auf dem Meer polterte und krachte bedrohlich, und die Kinder brachen über Dafydds vorgespielte Angst in Gelächter aus.
    Wieder in die kleine Behausung zurückgekehrt, entspannte er sich allmählich und begnügte sich damit, einfach nur dazusitzen und dem endlosen An- und Abschwellen der fremdartigen Unterhaltung der alten Männer zuzuhören. Er war so viel Müßiggang nicht gewohnt, und es war neu für ihn, sich einfach in einem alten Sessel zurückzulehnen und absolut faul

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