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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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kann. Sprechen Sie mit ihm, wenn Sie Kummer haben.«
    Während sich die beiden alten Männer vor der Tür leise miteinander unterhielten, zog Dafydd Uyarasuq in die Küche.
    »Ich bereue es nicht«, sagte sie fest, aber ihre Augen waren zu groß und glänzend.
    Er ergriff ihr raues Haar, zog ihren Kopf zurück und küsste sie innig. So sehr er sein Gehirn auch nach einer passenden Erklärung für seine Gefühle durchsuchte – ihm fiel keine einzige ein, die die Dinge wieder zurechtrücken konnte.

ZWEITER
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KAPITEL
13
    Moose Creek, 2006
    M AN ERWARTETE NOCH mehr Schnee, wie ihm die Dame an der Rezeption mitteilte, die seine Anmeldung in dem Frühstückshotel The Happy Prospector entgegennahm. »Bald ist richtig Winter. Aber was können wir schon machen?«, meinte sie mit zur Seite geneigtem Kopf und wartete auf seine eigene Erklärung, warum er die kommende Qual ertragen wollte. Aber Dafydd nickte nur in weiser Zustimmung. Sie bat ihn um einen Ausweis und schrieb sorgfältig die Daten aus seinem Pass nieder. Dann betrachtete sie das Foto genauer und blickte zu ihm auf.
    »Ich erinnere mich an Sie«, rief sie erfreut. »Dafydd Woodruff.«
    »Verzeihen Sie«, sagte Dafydd und blickte prüfend in ihr Elfengesicht, »ich sollte mich vermutlich auch an Sie erinnern, aber leider gelingt mir das nicht.«
    »Das macht nichts, ich kann das als großes Kompliment werten.« Sie lachte fröhlich und wirkte tatsächlich sehr zufrieden.
    »Irgendwie muss ich ins Fettnäpfchen getreten sein«, meinte Dafydd verlegen.
    »Überhaupt nicht … Ich habe früher im Klondike gearbeitet. Ich bin Tillie. Erinnern Sie sich?«
    Dafydd betrachtete sie. Natürlich erinnerte er sich an Tillie. Sie war die fünfundneunzig Kilo schwere Shirley-Temple-Doppelgängerin, die stets ein nettes Wort und ein Lächeln, ein echtes Lächeln, für ihn gehabt hatte. Er hatte ihre aufmerksame Betreuung im Klondike genossen, die sie ihm auf mütterliche Art angedeihen ließ, indem sie auf all seine das Essen und Trinken betreffenden Bedürfnisse achtete.
    »Tillie … Ich kann’s kaum glauben«, rief er. »Sie sehen wunderbar aus.«
    Hinter dem Resopaltresen stand eine Frau Anfang vierzig, schlank und rank, mit einem hübschen, jugendlichen Gesicht und blonden Locken, die zu einem mädchenhaften Pferdeschwanz zusammengebunden waren.
    »Was auch immer Sie gemacht haben, Sie sollten es patentieren lassen. Sie würden zur reichsten Frau der gesamten westlichen Welt werden.«
    Tillie errötete geziemend. Sie war wirklich sehr hübsch. Eine makellos glatte Haut, eine winzige Stupsnase und ein kleiner Rosenmund wie der einer Puppe.
    »Vielleicht finden Sie ja, dass mich das nichts angeht, aber wie haben Sie das geschafft?«
    »Ein sehr netter Arzt, der hier eine Zeit lang arbeitete, hat mir geholfen, alles in Ordnung zu bringen. Ich war ständig müde, und er hat festgestellt, dass ich eine starke Schilddrüsenunterfunktion hatte. Ich bekam ein paar Tabletten, und das Übergewicht verschwand wie von selbst.«
    »Verdammt, ich wünschte, diese Entdeckung wäre mir zu verdanken gewesen«, sagte Dafydd mit aufrichtigem Bedauern. »Ich habe meine Chance vertan, ein echter Held zu sein. Vielleicht war ich damals nicht sehr … einfallsreich.«
    »Sie waren völlig in Ordnung«, widersprach Tillie. »Außerdem bin ich damit nie zu Ihnen gekommen. Also hatten Sie gar keine Chance.« Nach einem Moment fügte sie hinzu: »Viele Leute haben Sie wirklich geschätzt. Einige waren zutiefst enttäuscht, dass Sie nach solch einer kurzen Zeit schon wieder gegangen sind. Man fing an, sich an Sie zu gewöhnen … und an Ihre Art.«
    »Ach ja, meine Art«, lächelte Dafydd. »Penibel bis zur Absurdität.«
    Tillie lächelte zurück – offenbar ohne genau zu wissen, was er meinte. »Lassen Sie mich Ihnen Ihr Zimmer zeigen.«
    Sie führte ihn eine schmale Treppe hinauf in den ersten Stock. Von einem dunklen Korridor ging eine Reihe Plastiktüren ab. Es sah unaussprechlich deprimierend aus. Als sie jedoch die Tür zu Nummer sechs aufriss, erwies sich der Raum als hell und geräumig. Er enthielt ein übergroßes Bett, über dem ein riesiger purpurner Baldachin hing.
    »Dies ist mein bestes Zimmer«, versicherte Tillie und strich liebevoll über den purpurnen Samt. »Manchmal kommen Flitterwöchner zu mir. Sie sind gewöhnlich sehr zufrieden … mit dem Bett.«
    »Das ist toll, Tillie. Ich bin sehr froh, dass ich Sie getroffen habe. Ich wäre direkt zum Klondike gefahren, aber der

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