Zeit der Finsternis
abwartend auf mir ruhen.
Ich presste mir das Telefon ans Ohr. "Max?"
"Julian! Weißt du eigentlich, was wir hier für Ängste ausgestanden haben, als du verschwunden bist? Was hast du dir dabei gedacht?!", fuhr er mich sofort an, doch ich konnte auch die Spur von Erleichterung hören, die in seiner Stimme mitschwang.
"Es...es tut so mir leid - meine Gefühle sind mit mir durchgegangen.", erwiderte ich betroffen. Ich konnte seine Reaktion verstehen, mein Handeln war selbstsüchtig und ich hatte die anderen damit im Stich gelassen.
"Du lebst, im Moment zählt nur das." Er klang ein wenig versöhnlicher.
"Wenn ich irgendetwas tun kann...um es wieder gut zu machen.", begann ich zögernd.
"Das kannst du in der Tat. Ich bin zusammen mit Dorian in Deutschland - jemanden suchen, der uns eventuell helfen kann. Nimm den nächsten Flug nach Berlin, wir können deine Hilfe gebrauchen. Den Rest erfährst du von Caroline und Val.", lautete Max´ knappe Anweisung, mit der er mich extrem verwirrte. Doch ich fragte nicht weiter, er würde schon seine Gründe haben. "Alles klar, ich bin schon so gut wie unterwegs.", erwiderte ich und Max legte ohne ein weiteres Wort auf.
Ich gab Valentina ihr Handy zurück und sah die beiden fragend an. "Was ist los? Warum ist Max in Deutschland?"
Caroline sah fragend zu Val, sie nickte ihr fast unmerklich zu.
Tamaras Schwester deutete mit dem Finger Richtung Decke und schüttelte den Kopf. Gleich darauf, vernahm ich ihre Stimme in meinem Kopf:
Ava und Benjamin sind nicht eingeweiht. Nach der Sache mit Andrew wissen wir nicht mehr, wem wir trauen können.
Max verfolgt schon einen Plan B, seit wir von Tamaras Entführung erfahren haben. Dorian ist nicht in Rumänien, er hat ganz Deutschland nach einer Person abgesucht und so wie es scheint endlich auch gefunden.
Ich zog fragend die Augenbrauen nach oben.
Es handelt sich um Melissas Tochter. Außer Max weiß niemand von ihrer Existenz. Nicht einmal Damian. Nachdem er Melissa vor dem Flammentod bewahrt und ihr das Versprechen über ihre uneingeschränkte Loyalität abgenommen hatte, versteckte sie Olivia. Sie lebt seit hunderten von Jahren im Verborgenen. Max hat nun die leidvolle Aufgabe, sie über den Tod ihrer Mutter zu informieren und sie gleichzeitig um Hilfe zu bitten. Damit Ava und Benjamin keinen Verdacht schöpfen, bleiben Val und ich hier, bis ihr zurückkehrt. Dann werden wir sehen, ob wir ihnen weiterhin vertrauen können.
Ich lauschte Carolines Stimme, die mir, für die anderen nicht hörbar, alle neuen Ereignisse mitteilte. Max´ im Geheimen geschmiedeter Plan tauchte damit unsere gesamte Situation in ein völlig neues Licht.
Gleichzeitig wuchs meine Wut, über mein kopfloses Verhalten. Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein! Fast hätte ich mit meiner Aktion alles in Gefahr gebracht. Ich hätte besser auf Max vertrauen sollen. Er kannte Damian und seinen Einfluss so gut wie kein anderer. Daher wusste er, dass er sich auf nichts und niemanden verlassen konnte.
"Du solltest jetzt aufbrechen. Je schneller ihr zurück seid, desto besser für uns." Valentina blickte mich eindringlich an und erhob sich. "Setz dich ins Auto, ich buche einen Nonstop-Flug für dich."
"Was ist mit Ava und Benjamin? Glaubst du, ihr könnt sie weiter hinhalten?", raunte ich fast lautlos. Carolines Blick schweifte wieder an die Zimmerdecke. "Die beiden haben sich sehr zurückgezogen seit der Sache mit Andrew...ich denke, sie haben damit abgeschlossen und warten nun der Dinge, die da kommen.", flüsterte sie und zuckte die Schultern.
***
Elf Stunden später starrte ich aus dem winzigen Flugzeugfenster auf die verschneiten Wiesen und Felder, die unter uns auftauchten. Trotz des Wintereinbruchs war die Maschine halbwegs pünktlich gestartet.
Aus der weißen Landschaft tauchten plötzlich einzelne Häuser auf - die Vorboten der Hauptstadt. Schließlich flogen wir einen Bogen, über groß angelegte Wohnblocks, die aber im Vergleich zu Manhattan eher Spielzeugcharme besaßen.
Nach der Landung schnappte ich mir meinen kleinen Koffer aus der Handgepäckablage und schritt eilig zum Ausstieg. Die Flugbegleiterinnen verabschiedeten mich freundlich, doch ich hatte keine Augen für das Geschehen um mich herum.
Zielstrebig bahnte ich mir meinen Weg durch die Reisenden und hielt nach zwei bekannten Gesichtern Ausschau. Bereits durch die Glasscheibe entdeckte ich Max, der mit eiserner Miene neben Dorian stand.
Die Schiebetür öffnete sich und ich lief direkt auf die beiden
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