Zeit der Finsternis
hatte er seinen Satz beendet, stand ich schon an seiner Seite und riss die Kühlschranktür auf. Ich musste schlucken, denn neben den Behältern mit Tierblut hatte Max sich auch ein paar Beutel menschliches Blut mitgenommen.
Ich streckte meine Hand nach einem der Blutbeutel aus. Die Versuchung war so enorm, dass meine Finger begannen zu zittern.
Dorian bemerkte, dass etwas nicht stimmte und sah mich irritiert an. Dann warf er Max einen fragenden Blick zu.
Max stand langsam auf, trat auf mich zu, ging neben mir in die Hocke und sah mich durchdringend an. "Julian, was immer du für ein Problem hast, reiß dich zusammen! Es gibt jetzt Dringenderes, um das wir uns kümmern müssen und wenn menschliches Blut dir dabei hilft, dich unter Kontrolle zu halten - dann trink es!"
Ich nickte betroffen und sah zu Boden. Ich war ihm in diesem Moment unglaublich dankbar, dass er keine weiteren Fragen stellte. Also griff ich nach der Blutkonserve und öffnete den Verschluss. Hastig führte ich die Öffnung an meinen Mund und saugte den kompletten Beutel in kürzester Zeit leer.
Nach zwei weiteren Blutkonserven ließ das Brennen endlich etwas nach. Ich sank neben Max in anderen Sessel und sah durch das Fenster. Die Dämmerung hatte den klaren Himmel in ein tiefes Orange gefärbt. Olivia war noch nicht wieder aufgetaucht und Dorian, der auf dem Bett lag, hatte damit begonnen, sich nervös durch das Fernsehprogramm zu zappen.
Max, der so tat, als wäre er in ein Buch vertieft, sah prüfend über den Rand des Einbands zu mir. Das untätige Warten, ließ mich langsam unruhig werden. Was, wenn Olivia uns wirklich nicht traute und nicht wieder kam?
Ich stand auf und streckte meinen Rücken durch. Einen kurzen Moment lang zögerte ich, doch dann sah ich zu Max. "Ich brauche ein bisschen frische Luft.", ließ ich ihn wissen und um ihn zu beruhigen fügte ich noch ein: "Keine Sorge, ich bin gleich wieder zurück" hinzu.
Er zog stumm eine Augenbraue nach oben, nickte dann jedoch und widmete sich wieder seiner Lektüre.
Als ich vor das Hotel trat, war es bereits dunkel. Die Fenster der kleinen Läden rundherum waren weihnachtlich geschmückt und mit Lichterketten beleuchtet. Es roch nach Schnee, Zimt und Glühwein.
Ich folgte dem Duft und bog in eine Seitenstraße ein. Die dicke Schneedecke knirschte unter meinen Schuhen. Niemand kreuzte meinen Weg, noch nicht mal Autos fuhren auf der Straße. Es war so ruhig, dass mir von der Stille die Ohren dröhnten. Ich dachte an Tamara und ein beunruhigendes Gefühl kroch in mir hoch.
Was hatte Damian wohl mit ihr gemacht, nachdem sie versucht hatte, sich zu töten? Bei dieser Vorstellung erschauderte ich!
Ich war in Gedanken versunken und lief ziellos umher. Am liebsten wäre ich losgerannt um Olivia zu suchen und sie zurück in unser Hotel zu zerren. Für mich waren Hexen wie sie, überhebliche Geschöpfe, die sich einbildeten, über alles und jedem zu stehen.
Plötzlich riss mich Stimmengewirr und Gelächter aus meiner Trance und ich bemerkte, dass ich mich am Rande eines Weihnachtsmarktes befand. Daher auch dieser Geruch, der durch die Straßen wehte.
Aus meiner dunklen Ecke heraus beobachtete ich die Menschen, wie sie frierend zusammenstanden, sich an ihre Tassen - gefüllt mit Glühwein - klammerten und oberflächliche Konversationen über ihr Liebesleben, ihren Job oder das Winterwetter führten. Zwar wandelte ich seit drei Jahrhunderten auf dieser menschlichen Welt, doch sie schien mir langsam immer fremder zu werden. Mein Blick fiel auf eine junge Frau, die ihren Arm fest um ihren Freund geschlungen hatte und ihn verliebt betrachtete, während er sich mit einem Bekannten unterhielt. Ihre Wangen waren aufgrund der Kälte leicht gerötet und ihre Augen glänzten im Lichtermeer der Weihnachtsbeleuchtung, die den gesamten Platz in stimmungsvolles Licht tauchte.
Ich konnte ihr Herz schlagen hören und fuhr mir unbewusst mit der Zunge über meine Zähne. Meine Zähne!
Sie waren aus meinem Kiefer hervorgetreten und ließen mich begreifen, dass mein Körper sich gerade zur Jagd bereit machte! Jede einzelne meiner Muskelfasern war angespannt.
Ich schlug mir die Hand vor den Mund und stolperte rückwärts!
Dabei stieß ich mit einer Frau zusammen, die mich mit einem verärgerten Blick bedachte.
Da hat es aber jemand mit dem Alkohol übertrieben! Typisch diese jungen Leute!
, hallten ihre Gedanken in meinen Kopf. Doch ich taumelte an ihr vorbei, legte an Tempo zu und hatte nur noch ein Ziel - weg! So
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