Zeit der Heimkehr
Spardosen. Doch Jon-Toms Aufmerksamkeit wurde sofort von der rechten Wand mit Beschlag belegt, an der eine Sammlung Musikinstrumente hing. Viele von ihnen waren ihm neu, und manche erschienen ihm von ihrer Konstruktion und von ihrem Aussehen her so fremdartig, daß er auf den ersten Blick nicht feststellen konnte, ob man sie zupfte, blies oder schlug.
Eine Reihe kleiner Trommeln wand sich um einen Mittelpfahl wie Obst um einen Ast. Grotesk geformte Hörner hingen neben ausgelagerten Holzblasinstrumenten. Auf dem Boden lag eine Flöte, die aus dem Stamm eines Baumes geschnitzt worden war. Sie mußte mindestens hundert Pfund oder mehr wiegen und besaß Fingerlöcher, die die Größe von Jon-Toms Faust hatten.
»Bärenflöte«, erklärte Izzy. Seine Stimme klang hoch und schilfig, einem Teil seiner Waren nicht unähnlich.
»Ich habe ihrem Besitzer ein Duplikat aus viel leichterem Holz verkauft und diese hier in Zahlung genommen. Sie liegt schon sehr lange hier.«
»Ich verstehe auch, warum«, meinte Jon-Tom. »Die kann doch höchstens ein Bär heben.«
»Wie wahr, aber ich genieße es, Kunden bei dem Versuch zuzusehen. Manchmal schafft eine große Katze es, sie vom Boden zu heben, aber dann muß sie feststellen, daß sie nicht genug Atemkraft besitzt, um darauf zu spielen. Was kann ich möglicherweise vielleicht eventuell für Euch tun, mein Herr? An Eurer Haltung und Kleidung erkenne ich, daß Ihr eine bemittelte Person seid, obwohl es Euch zu belieben scheint, Euch mit niedrigeren Lebensformen abzugeben. Es wäre mir eine außerordentliche sehr große wunderbare Freude, Euch zu helfen, sobald Euer Freund die kleine goldene Spieluhr wieder in den Schrank zurückgelegt hat, aus dem er sie entnahm.«
Jon-Tom wirbelte herum, um Mudge finster anzublicken. Etwas belämmert holte der Otter eine wunderbar gefertigte Spieluhr in Gestalt eines Klaviers aus seiner inneren Westentasche hervor und stellte sie in den offenen Schaukasten vor sich zurück, »'ab sie mir nur mal nä'er angeguckt, Kumpel. Is 'n 'übsches Ding, und ich 'ab dran gedacht, sie vielleicht zu kaufen, 'ab ich.«
»Ich weiß, und du mußtest unbedingt feststellen, ob sie bequem in deine Brusttasche paßt.«
»Sehr bequem, da bin ich ganz sicher«, meinte Izzy freundlich.
»Pah!« Betont harmlos schritt Mudge zu einer Uhr hinüber, die fast ebenso groß war wie er selbst, um sie zu begutachten.
»Die 'ier darf ich mir doch wohl in Ru'e angucken, oder glaubste, daß ich damit ab'aue, wenn du mal gerade nich 'inschaust?«
»Einem Otter traue ich alles zu.« Der Indri lächelte wieder Jon-Tom an. »Was behagt Euch, Freund? Was kann ich Euch verkaufen? Einen Zeitmesser?«
»Ich habe jede Menge Zeit. Ich brauche etwas anderes. Ich bin ein Bannsänger.«
Der Indri musterte seinen Gast eindringlich über den Rand der Brille hinweg. »Wahrhaftig wirklich ganz gewiß? Ein Bannsänger? Ich bin nie persönlich einem begegnet, hatte aber mal eine Begegnung mit einem überzeugenden Gerücht!«
Jon-Tom zeigte auf den Beutel, der an seinem Rucksack verschnürt war. »Habe eine kaputte Duar dabei. Ich nehme nicht an, daß Ihr die reparieren könnt.«
»Eine richtige Duar? Das übersteigt bei weitem meine spärlichen Fähigkeiten, Freund Zaubermusikus. Ich beschäftige mich nicht mit den magischen Künsten.«
»Dann habt Ihr wahrscheinlich auch keine zu verkaufen.«
»Ah, ah, nur weil ich mich selbst nicht damit beschäftige, heißt das nicht, daß ich nicht bereit wäre oder unfähig dazu, mit Magie zu handeln. Leider bedauerlicherweise zum Unglück besitze ich keine Duar, die ich Euch verkaufen könnte. Tatsächlich habe ich in all den Jahren, seit ich in diesem Geschäft bin, noch nie eine Duar zu Gesicht bekommen. Allerdings habe ich ein paar Sachen, die Euch statt dessen dienen könnten.«
Das erste Instrument, das er unter dem Ladentisch hervorholte, glich einer Pikkoloflöte mit Pinocchiosyndrom. Aus der mittleren Röhre traten winzige Zweitpfeifen hervor wie Äste von einem Baum. Sie war aus Ilexholz gefertigt und mit Perlmutt eingelegt.
»Schwer mühsam zu spielen. Aber es heißt, daß sie in den richtigen Händen Regen und Schnee erzeugen kann.«
»Ich bin kein Wettermann. Ich brauche etwas Vielseitigeres.«
»Ich habe verstanden begriffen kapiert.« Izzy legte die Flöte beiseite und stellte statt dessen ein Taschenakkordeon auf die Theke. Auf jeder Seite der kleinen Quetschkommode gab es nur vier Tasten. Aus Neugier versuchte Jon-Tom es damit.
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