Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman
auch gar nichts von dem Fluch, der auf dem Wald lastet.«
»Von den Einheimischen könnte man das Gegenteil behaupten. Sie wollen nichts mit diesem Wäldchen zu tun haben, und ich kann nicht behaupten, dass ich es ihnen verüble. Cain hatte
teuflische Schwierigkeiten, seinen Trupp von Helfern zusammenzutrommeln.«
Hamish sagte: »Ich würde nicht warten, bis dieser Inspector die Akten durchgesehen hat. In seinen Augen besteht kein Grund zur Eile.«
Das stimmte. Aber andererseits konnte ihm Mrs. Arundel, die Postmeisterin, eine Liste der ältesten Einwohner von Dudlington geben.
»Ich muss schon sagen, Ian, es ist hochinteressant, was für ein Pech Sie haben. Ich bin froh, dass ich nicht in Ihren Schuhen stecke, wenn Bowles davon erfährt.« Mainwaring hielt ihm die Hand hin. »Cain hat jemanden gefunden, der nach Northampton fährt, und ich sollte meinen Zug gerade noch erwischen. Viel Glück, alter Knabe. Sie werden es brauchen!«
Rutledge sagte: »Es ist noch nicht aller Tage Ende.«
Sie drückten einander die Hand, und Mainwaring nahm jeweils zwei Stufen auf einmal, als er die Treppe hinaufsprang, um seine Tasche zu holen.
Als er wieder nach unten kam, war Rutledge bereits aus dem Haus gegangen.
Mrs. Arundel, die hinter ihrem Messingschalter saß, dachte über Rutledges Frage nach.
»Die ältesten Einwohner … Tja, da hätten wir schon mal Mrs. Lawrence in der Church Street. Sie lebt bei ihrem Enkel und dessen Frau Patricia. Mr. Cunningham natürlich, aber der ist an den meisten Tagen nicht allzu klar im Kopf.«
Der Lastwagen der Handwerker, die im Haus der Lawrences arbeiteten, hatte versucht, ihn zu überfahren. Mrs. Melford hatte ihm mitgeteilt, die Familie sei dabei, eines der kleineren Schlafzimmer in ein Kinderzimmer umzubauen.
»Ja, ich glaube, ich kenne das Haus.« Er bedankte sich bei der Postmeisterin und ging.
Patricia Lawrence öffnete Rutledge die Tür, als er anklopfte. Sie war eindeutig schwanger, und ihr Umstandskleid konnte diese Tatsache kaum verbergen. Als er sein Anliegen erklärt hatte, sagte sie zweifelnd: »Die Großmutter meines Mannes ist eine reizende alte Dame, aber sie kann manchmal ziemlich wirres Zeug reden. Ich weiß nicht, ob Sie bei ihr viel Glück haben werden.«
Die ältere Mrs. Lawrence hielt sich in einem kleinen Wohnzimmer im ersten Stock auf und las. Sie hatte die Brille auf der Nase, aber ihre Augen waren geschlossen, und ihr Atem wurde von einem leisen Pfeifen begleitet, das man um ein Haar mit einem Schnarchen verwechselt hätte.
»Großmama?«, sagte Mrs. Lawrence und berührte zart ihre Schulter.
»Was?«, sagte die alte Frau, die reichlich verwirrt wirkte. »Ich lese, siehst du das denn nicht?«
»Hier ist ein Polizist, der dich besuchen möchte, wenn es dich nicht zu sehr anstrengt, mit ihm zu reden.«
»Doch nicht etwa dieser unverschämte Constable? Der Kerl ist frech wie Oskar!«
»Nein, Großmama. Inspector Rutledge kommt von Scotland Yard.«
Wässrige blaue Augen hefteten sich auf Rutledge, der direkt hinter der jungen Frau stand, und musterten ihn von Kopf bis Fuß. »Das ist keiner von den Polizisten, die ich kenne.«
»Ich bin nur für kurze Zeit hier, bis der Constable wieder auf den Beinen ist«, sagte Rutledge und trat vor. »Es tut mir leid, dass ich Sie beim Lesen störe«, fügte er hinzu und zog den Stuhl, der ihr am nächsten stand, noch näher heran. »Aber man hat mir gesagt, wenn jemand die Geschichte von Dudlington kennt, dann sind Sie das.«
Sarah Lawrence lächelte hocherfreut. »An einem guten Tag kann ich Ihnen erzählen, wie es war, die alte Königin heiraten zu sehen. Ein hübsches kleines Dingelchen war sie früher.
Sie hat dem Prinzen kaum bis an die Schulter gereicht, aber schon damals war ihr anzusehen, dass sie zur Molligkeit neigte, wenn Sie mich fragen. Diesen garstigen Schotten, den sie so gern mochte, habe ich nie gesehen, aber schon als kleines Mädchen war ich sehr von ihrem Prinzen eingenommen. Ein Jammer, dass er so früh sterben musste, aber so ist es nun mal.«
»Ja.« Er blickte zu Patricia Lawrence auf und gab ihr einen Wink, dass er sich gern allein mit der Großmutter ihres Ehemannes unterhalten wollte.
Sie nickte und sagte: »Ich koche nur schnell Tee. Das wäre dir doch sicher lieb?«
Sarah Lawrence kniff die Augen zusammen, um auf die Uhr über dem Kamin zu schauen. »Ist es schon so spät?«
»Nein, Großmama, aber wir haben einen Gast.«
»Ja, wie wahr. Nun gut, junger Mann, erzählen Sie
Weitere Kostenlose Bücher