Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman
Mantel zu holen. »Hat ein junger Mann hinter dem Verschwinden des Mädchens gesteckt, was meinen Sie? Wenn sie geheiratet hätte und in einem anderen Landesteil leben würde, wäre sie schwer zu finden.«
»Es hat einen jungen Mann gegeben - er war entschlossen, eine andere Frau zu heiraten. Ob sie sich mit ihm eingelassen hat oder nicht, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Er ist im Krieg gefallen. Auf dem Friedhof steht ein Gedenkstein für ihn.«
»Dann war es also ihr eigener Entschluss zu verschwinden. Vielleicht wegen dieser anderen Frau. Es wäre schwierig, in einer so kleinen Ortschaft mit der anderen zusammenzuleben.«
»Eine Zeit lang«, sagte er, »dachte ich, die andere Frau hätte sie umgebracht.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Das könnte doch trotz allem sein.«
»Ich würde diese Rosenbeete umgraben, wenn ich der Meinung wäre, dass es etwas nutzen könnte«, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr.
Hamish war derjenige, der ihm darauf antwortete. »Oder unter diese Mauer schauen.«
Kurz nachdem sich Mrs. Channing auf den Rückweg zum Gasthaus gemacht hatte, stattete ihm Grace Letteridge einen Besuch ab.
Sie betrat forsch das Büro und sagte: »Ich vermute, ich muss mich bei Constable Hensley entschuldigen. Ich war immer der Überzeugung, er hätte sie umgebracht. Und er sei nur ständig in das Wäldchen gegangen, um nachzusehen, ob dort jemand herumschnüffelte. Es war einleuchtend, dass er sich nicht von dort fernhalten konnte. Dass er den Gedanken daran nicht einfach abschieben konnte. Aus Schuldbewusstsein. Aber jetzt liegt sie doch nicht dort begraben.«
Rutledge sagte: »Hensley geht es nicht gut. Es kann sein, dass er es nicht überlebt. Dann könnte die Person, die diesen Pfeil auf ihn abgeschossen hat, eines Mordes schuldig sein.«
»Ich war es nicht, falls Sie es mir anlasten wollen.«
»Sie haben einmal zu mir gesagt«, sagte Rutledge, während er sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch setzte und sich zurücklehnte, »dass Sie ihm den Tod wünschen.«
Sie machte eine wegwerfende Geste, als wollte sie seine Worte mit einer Handbewegung abtun. »Ich bin keine Mörderin. Obwohl ich manchmal ziemlich aufbrausend sein kann. Das will ich nicht bestreiten.«
»Dann sind wir also wieder da angelangt, wo wir begonnen haben. Sagen Sie, wann haben Sie Ihren Rosengarten eigentlich angelegt?«
»Falls Sie mich damit fragen wollen, ob Emma dort begraben ist, sind Sie ein Narr.«
»Wir könnten ihn umgraben, um das herauszufinden. Inspector Cain kann seine Männer gleich hierher abkommandieren, wenn sie im Wäldchen fertig sind.«
Sie wandte sich ab, um zu gehen. »Dazu brauchen Sie erst einen Durchsuchungsbefehl«, sagte sie zu ihm. »Sonst lasse ich nämlich nicht zu, dass Sie meine Rosen anrühren.«
Rutledge blätterte in der Akte über Emma Mason, als Mainwaring von seiner Besprechung mit der Polizei in Letherington zurückkam. »Ich habe mit den Zuständigen gesprochen - mit
Cain und seinem Sergeant und mit dem Coroner. Die Leiche hat wahrscheinlich geraume Zeit dort draußen im Wald gelegen. Über die genaue Zeitdauer sind wir uns nicht einig, aber wenn ich raten sollte, würde ich auf vierzig Jahre tippen.«
»Vierzig …«
»Genau. Wir haben die Knochen unter guten Lichtverhältnissen und wesentlich eingehender untersucht, uns den Zustand angesehen und die Erde um die Knochen herum und direkt unter den Knochen durchgesiebt. Und das kam aus der Erde unter den Knochen hervor.«
Er hielt ihm einen zierlichen goldenen Zahnstocher hin.
Rutledge nahm ihn und drehte ihn in seinen Fingern. Weihnachten 1881 , fand er dort eingraviert.
»Das beweist nicht, dass er damals gestorben ist. Er hätte den Zahnstocher viele Jahre lang mit sich herumtragen können.«
»Und das hier.«
Es war eine kleine Münze, ein Farthing, der von Erde und Rost befreit worden war. Und auch er trug das Datum 1881.
»Derjenige, der seine Taschen durchsucht hat, hat beides übersehen.«
»Bei wie vielen Personen reicht die Erinnerung so weit zurück, bis 1881?«
»Cain hat versprochen, die Akten seines Vorgängers durchzusehen.«
»Ja, das ist der richtige Einstieg«, stimmte Rutledge ihm zu. »Unsere Knochen müssen aus einer der Ortschaften in der Nähe stammen, wenn nicht aus Dudlington selbst. Frith’s Wood ist zu weit von der Hauptstraße und obendrein recht versteckt gelegen. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass ein Ortsfremder dort eine Leiche verscharren würde. Und er wüsste
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