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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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mir, warum Sie hergekommen sind. Ich bin sicher, dass es nicht um die Königin geht. Sie ist tot.«
    Die alte Dame war in Tücher gehüllt, aber ihr schneeweißes Haar war liebevoll gebürstet und ihr schwarzes Kleid von guter Qualität. Ihr Enkelsohn und seine Frau, stellte Hamish fest, sorgten gut für sie.
    »Ich erinnere mich noch an meine eigene Oma«, fügte er hinzu, »und daran, wie sie im Haus geherrscht hat.«
    Als die Wohnzimmertür geschlossen wurde, sagte Rutledge zu Mrs. Lawrence: »Ich suche einen Mann, der schon vor vielen Jahren verschollen ist. Vielleicht war es sogar schon 1881. Können Sie sich erinnern, was darüber geredet wurde?«
    »Wie hieß er?«
    »Das wissen wir leider nicht.«
    Sie blickte versonnen auf ihren Schoß. »1881, sagten Sie? Das war das Jahr, in dem wir den Birnbaum gepflanzt haben, mein Mann und ich. Den der Sturm von 1894 umgerissen hat. So ein hübsches Ding war das, jeder einzelne Ast mit Wolken
von weißen Blüten bedeckt. Den mochte ich so sehr, den Birnbaum.«
    »Was hat sich in jenem Jahr in Dudlington getan?«, half er ihrem Gedächtnis behutsam nach.
    »Als der Sturm kam?«
    »Nein, als Sie den Birnbaum gepflanzt haben.«
    »Ah. Ich sagte es Ihnen doch schon, das war 1881.«
    Er probierte es mit einem anderen Ansatz. »Wer war 1881 der Arzt, Mrs. Lawrence? Erinnern Sie sich noch an seinen Namen?«
    »Das war Blair. Dr. Blair. Den mochte ich nie. Er hat sich eingebildet, mehr über Kinder zu wissen als ihre eigenen Mütter.«
    »Und wer war der Pfarrer?«
    »Das wäre dann wohl Mr. Anderson gewesen. Nein, Mr. Anderson kam erst im Jahr darauf. Es war Mr. Fellowes.«
    Er unternahm in Gedanken einen Spaziergang mit ihr durch das Dorf der damaligen Zeit und erkundigte sich nach der Postmeisterin, dem Gemüsehändler und jeder anderen Person, die ihm einfiel, um ihr Gedächtnis anzukurbeln.
    »Erinnern Sie sich noch an Mrs. Ellisons Hochzeit? Das muss doch ein großes gesellschaftliches Ereignis gewesen sein.«
    »Puh! Sie hat nicht in St. Luke’s geheiratet, das war ihr nicht fein genug. Sie ist mit der Familie Harkness verwandt, verstehen Sie? Ihre Tante in Northampton hat die Hochzeit ausgerichtet. Von Dudlington wurden nicht allzu viele Leute eingeladen, obwohl ihr Mann damals Verwandte hier hatte. Die sind natürlich nicht mehr am Leben. Deshalb hat er den Hof verkauft. Der gehört jetzt Mr. Shepherd. Er wollte Rinder, keine Schafe. Er hat behauptet, wenn er Schafe züchtet, würde sein Name zum Gespött. Sie haben ihren Sohn im Krieg verloren. Eine traurige Geschichte.«
    »Und wem hat die Bäckerei gehört?«
    »Simpsons Vater. Er hat uns Leckereien geschenkt, wenn eine von uns Geburtstag hatte.«

    »Was haben Sie von dem Weihnachtsfest 1881 noch in Erinnerung?«, fragte er, um sie langsam dahin zu lenken, wo er sie haben wollte.
    Aber sie runzelte die Stirn. »Glauben Sie, das sei ein besonderes Weihnachtsfest gewesen? Daran habe ich gar keine guten Erinnerungen.«
    »Warum?«
    »In jenem Herbst ist eine Typhusepidemie ausgebrochen. Und meine beste Freundin ist daran gestorben. Deswegen wollte ich Weihnachten erst gar nicht feiern. Aber Mr. Lawrence, mein Mann, hat gesagt, wir müssten auch an die Kinder denken. Und der Pfarrer hat zu mir gesagt, ich dürfte Gott nicht abschwören.«
    Er blieb weitere zehn Minuten dort sitzen und kurbelte ihr Gedächtnis an, doch es kam nichts dabei heraus. Schließlich war es schon lange her für eine Frau, die hoch in ihren Achtzigern sein musste.
    Aber seine Fragen hatten einige der verknoteten Fäden in ihrer Erinnerung gelockert, und als Patricia Lawrence die Teekanne auf einem hübschen bemalten Tablett hereinbrachte, sagte Sarah: »Oh, sehen Sie, das hatte ich ganz vergessen! Die Teekanne! Ich habe die Tülle meiner Teekanne zerbrochen, und Mr. Ellison hat in London einen passenden Ersatz gefunden. Dort war er’82 mehrfach, und er hat gesagt, das könnte mich vielleicht von Sallys Tod ablenken. Meiner Freundin, verstehen Sie?«
    »Das war sehr nett von ihm«, erwiderte Rutledge und nahm die Tasse entgegen, die ihm die jüngere Frau reichte.
    »Ja, er war ein sehr netter Mann. Ich habe nie verstanden, was er in Mary Clayton gesehen hat. Abgesehen davon, dass sie die Cousine einer Harkness und bildschön war.«
    Sie folgte wieder einem anderen Gedankengang und hing den Erinnerungen daran nach, dass ihr eigener Vater den alten Mr. Harkness gekannt hatte, »der an gebrochenem Herzen
starb, als das Herrenhaus niedergebrannt

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