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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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er im Allgemeinen bei schönem Wetter durch die Gegend stromert. Besonders gern treibt er sich auf den Ländereien der Massinghams herum - zu denen gehört auch die Weide, die Sie geschildert
haben. Mrs. Massingham ist nett zu Tommy, und manchmal nutzt er ihre Freundlichkeit aus, um dort jagen zu gehen.«
    »Mit einem Revolver?«, fragte Rutledge und zog die Augenbrauen hoch.
    Smith schüttelte den Kopf. »Mit der Steinschleuder. Woher er die Waffe hatte, konnte er mir nicht sagen. Allzu gescheit ist er nicht, dieser Tommy Crowell. Bisher war er nie ein Unruhestifter, aber es gibt für alles ein erstes Mal und er ist jetzt alt genug, um Unfug anzustellen, den man einem kleineren Jungen nachsehen würde. Ich vermute mal, er hat die Waffe irgendwo gefunden - in einem Haus oder in einer Scheune - und sie einfach mitgenommen, ohne um Erlaubnis zu fragen. Seine Auffassung von Privateigentum war schon immer recht verschwommen. Dabei geht es weniger um Diebstahl als darum, ›sich mal kurz was auszuleihen‹, wie er es formulieren würde.«
    »Es können doch wohl nicht allzu viele geladene Revolver in Hertford herumliegen!«, fuhr Rutledge beharrlich fort. »Besitzt Mrs. Massingham einen Revolver?«
    Smith fühlte sich jetzt in die Defensive gedrängt. »Ihr Gatte war Kavallerieoffizier. Er hat seine Waffen unter Verschluss gehalten. Meines Wissens hat sie sie nicht angerührt, seit er im Burenkrieg gefallen ist. Das hat sie selbst gesagt.«
    »Was heißt«, meldete sich Hamish in Rutledges Hinterkopf zu Wort, »dass sie es gar nicht merken würde, wenn eine der Waffen fehlte.«
    Und Smith, der großen Respekt vor den Massinghams hatte, hätte ihr Wort mit Sicherheit niemals infrage gestellt.
    »Diesen Tommy Crowell würde ich mir gern mal selbst ansehen.« Rutledge faltete seine Serviette zusammen und nickte der Frau zu, die ihnen das Essen serviert hatte. Sie brachte ihm die Rechnung. »Wo wohnt er? Oder haben Sie ihn in Gewahrsam genommen?«
    »Jetzt?«, fragte Smith und trank hastig seinen Tee aus. »Es besteht keine Notwendigkeit …«

    »O doch«, erwiderte Rutledge, während er die Posten auf der Rechnung überflog. »Ich breche morgen früh nach London auf. Nein, bemühen Sie sich nicht, die Rechnung übernehme ich.«
    Smith folgte ihm auf dem Weg zur Tür dicht auf den Fersen. »Der Junge kann nicht für den Schaden an Ihrer Windschutzscheibe aufkommen«, sagte er schnaufend vor Anstrengung. »Ich habe bereits mit seiner Mutter gesprochen. Da ist kein Geld zu holen …«
    »Geld interessiert mich nicht«, antwortete Rutledge, als er seinen Wagen auf dem Hof hinter den Three Feathers erreicht hatte. »Wo steckt er jetzt? Haben Sie Anklage gegen ihn erhoben?«
    »Ich hatte nicht die Absicht - ich wollte ihn über Nacht einsperren, um ihm einen heiligen Schrecken einzujagen, in der Hoffnung, dass er mir dann zeigt, wo er den Revolver weggeworfen hat. Aber seine Mutter hat mich angefleht …«
    »Dann bringen Sie mich zu ihm.«
    Smith warf die Kurbel an und setzte sich dann neben Rutledge auf den Beifahrersitz. »Eine Meile hinter dem Gut der Massinghams führt ein Feldweg nach Osten. Folgen Sie dem etwa eine weitere Meile, und dann sage ich Ihnen, wo Sie anhalten sollen.«
    Rutledge fuhr denselben Weg, auf dem er hergekommen war, aus Hertford hinaus und fand den Feldweg ohne Schwierigkeiten. Er hatte tiefe Fahrrinnen und das Automobil holperte eine Zeit lang unerfreulich, bevor eine Reihe von kleinen Häuschen in Sicht kam, aus deren Schornsteinen sich Rauch in die kalte Nachtluft kringelte.
    Smith deutete auf das dritte Haus auf der linken Seite, und Rutledge hielt den Wagen an. »Lassen Sie mich mit der Mutter reden. Sie würden sie zu Tode erschrecken - als marschierte Scotland Yard in ihr Wohnzimmer ein.«
    Er stieg aus und klopfte an die Tür. Eine abgespannte Frau
von vielleicht vierzig Jahren öffnete und starrte sogleich alarmiert den großen Mann an, der hinter Smith stand. »Sie werden doch nicht Ihr Wort brechen?«, begann sie vorwurfsvoll. »Ich habe Ihnen versprochen, ihn nicht aus dem Haus zu lassen.«
    »Für Sie besteht kein Grund zur Sorge, Mrs. Crowell. Ich möchte mich nur kurz mit Tommy unterhalten. Das ist Mr. Rutledge. Es war sein Wagen, der beschädigt wurde, aber er ist nicht hier, um Schadenersatz zu verlangen.«
    Sie traten durch den niedrigen Türsturz in ein vollgestelltes kleines Zimmer. Man konnte deutlich erkennen, dass Mrs. Crowell für andere Haushalte die Wäsche erledigte. Jeder

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