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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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tappte?
    Er blieb am Waldrand stehen.
    Wer A sagt, muss auch B sagen, trieb er sich selbst an. Und dann trat er in den Schutz der Bäume und war dankbar für die Zuflucht vor dem kalten Wind, der ihn über die kahlen Felder verfolgt hatte.
    Er lief langsam, untersuchte wie sonst auch den Boden und stocherte im Gestrüpp und im vertrockneten Geäst von Sträuchern, um zu sehen, ob in dem verflochtenen Gewirr darunter gescharrt worden war.
    Er war erst gut zehn Meter weit zwischen den Bäumen, als sich die Haare in seinem Nacken aufzustellen und gegen seinen Kragen zu pressen schienen.
    Du blöder Kerl!, schalt er sich. Hier ist nichts. Das gaukelt dir alles nur deine eigene Fantasie vor, die außer Rand und Band geraten ist. Je eher du tust, was du hier vorhattest, desto eher kannst du wieder von hier verschwinden.

    Er lief weiter und ertappte sich dabei, dass er beinah laut vor sich hin gepfiffen hätte. Jetzt hatte er das Wäldchen schon fast hinter sich und war auf nichts Verdächtiges gestoßen - niemand hatte hier gegraben oder verfaulte Baumstämme umgeschichtet. Er hatte nichts gefunden, das erklären konnte, was einen anderen hierhergeführt hätte.
    War es nichts weiter als eine falsche Fährte gewesen? Was hatte diese verfluchte Nachricht dann bezwecken sollen?
    Er hörte ein Geräusch hinter sich und wirbelte herum, obgleich er nicht sicher war, was er vorfinden würde.
    Nichts.
    Die nächsten fünf Meter. Zehn - fünfzehn.
    Meine Güte, er hatte schon viermal hinter sich geschaut! Das war doch nur der Wind, der trockene Zweige aneinanderrieb. Und die trockenen Blüten abgestorbener wild wachsender Blumen rascheln ließ. Er hätte gleich an den Wind denken sollen.
    Die nächsten sechs Meter waren geschafft. Jetzt war es nicht mehr weit. Aber er würde umkehren und auf demselben Weg, den er gerade hinter sich gebracht hatte, zurücklaufen müssen, noch einmal durch das ganze verdammte Wäldchen.
    Diesmal war das Geräusch näher. Er drehte sich eilig um und lauschte, denn er rechnete damit, Schritte auf dem toten, nassen Laub zu hören.
    Stattdessen sah er einen Vogel im Flug, hörte Federn, die durch die Luft rauschten.
    Etwas traf ihn im Rücken, ein Schlag wie von einer Faust, die seinen Körper durchbohrte und sich in ihn grub wie ein heißer Schürhaken, den ihm jemand fest in die Rippen gerammt hatte. Die Luft entwich ihm wie ein frostiger Windstoß, und es bereitete ihm Mühe, wieder einzuatmen.
    In dem Moment, als er begriff, was es war - als er mit Sicherheit wusste, dass es sich um ein menschliches Wesen handelte und nicht etwa um ein Phantom, das es darauf abgesehen hatte, ihn zu erledigen -, konnte er bereits spüren, wie seine Knie
unter ihm nachgaben, und ein grässliches Gefühl von drohendem Verhängnis überwältigte ihn.
    Er war von einem Pfeil getroffen worden. Seine Finger konnten ihn gerade noch erreichen und den runden, glatten Schaft fühlen. Und sie würden ihn ausgerechnet hier, in Frith’s Wood, finden und das ganze Dorf würde erfahren, dass er sich nicht von diesem Ort fernhalten konnte.
    Er durfte nicht hier sterben!
    Aber er wusste, dass es so kommen würde. Das war seine Strafe.
    Er sank auf die Knie, fiel dann nach vorn und verlor das Bewusstsein, bevor der Schmerz einsetzte.

6.
    Inspector Smith, der mit Rutledge in den Three Feathers in Hertford zu Abend aß, nachdem sich das Gericht vertagt hatte, sagte: »Während Sie auf den Spruch der Geschworenen gewartet haben, haben wir Ihren Attentäter geschnappt.« Seine Stimme klang so selbstgefällig, als kostete er es aus, diesem Mann aus London zu zeigen, dass Polizisten in der Provinz keinen Deut schlechter waren als ihre Kollegen beim Yard.
    Rutledge, der gerade seinen Käse schnitt, blickte eilig auf und sagte: »Wer ist es? Jemand, den ich kenne?«
    »Wohl kaum ein Bekannter von Ihnen - ein Junge hier aus der Gegend. Er ist von sich aus mit der Sprache herausgerückt. Ich hatte ihm die Frage kaum gestellt, als er mir schon gesagt hat, dass er es war.«
    »Hat er Ihnen gesagt, warum er es getan hat?«
    »Nur dass er fand, es sei ein guter Tag, um auf die Jagd zu gehen.«
    »Warum haben Sie ihn überhaupt verhört? Hat er schon früher auf Menschen geschossen?« Und wo, fügte Rutledge für sich hinzu, hatte ein Junge diese Patronenhülsen gefunden, die er so angemessen am Schauplatz hinterlassen hatte?
    Smith, dem die Richtung nicht passte, die Rutledges Fragen einschlugen, blickte finster. »Wir sind zu ihm gegangen, weil

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