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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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nach und war, ganz gleich, was er sagte oder tat, nicht ganz bei der Sache. In seinem Kopf war nur ein einziger Gedanke: Was hatte einen anderen Menschen in das Wäldchen geführt? War derjenige nur dort gewesen, um ihn zu beobachten? Oder hatte diese Person nichts Gutes im Schilde geführt und war durch Hensleys unerwartetes Auftauchen bei ihrem Tun gestört worden?
    Warum sollte ihm derjenige dann eine Nachricht zukommen lassen? Weshalb würde er - oder sie - sich durch das Eingeständnis verraten, dort gewesen zu sein?
    Das war eine Frage, die seinen Verstand derart trübte, dass er begann, sich Nuancen in Gesprächen oder verschlagene Blicke einzubilden, die er aus dem Augenwinkel wahrnahm. Um Himmels willen, sogar der Pfarrer hatte ihn abgepasst, um zu fragen, ob er Neuigkeiten über die Zwillinge aufgeschnappt hätte, die eine Cousine zweiten Grades in Letherington zur Welt gebracht hatte, denn schließlich hatte Hensley selbst behauptet, dort sei er gewesen. Aus dieser Falle wand er sich mit der Erklärung heraus, er hätte vergessen, sich danach zu erkundigen. Anschließend hatte er sich gefragt, wer den alten Deppen dazu angestiftet hatte, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen.
    Mehr als eine Woche lang widerstand Hensley dem zermürbenden Rätsel der Nachricht, die unter seiner Haustür durchgeschoben worden war. Am Freitag war er mitten in der Nacht hellwach aufgeschreckt, weil ihm eingefallen war, dass er das Wäldchen als Erster verlassen hatte. Was war passiert, nachdem er fortgegangen war?

    Und genau das schien ihm eine Erklärung für die Nachricht zu sein - sie war dazu gedacht, ihn so sehr zu erschrecken, dass seine Furcht ihn von dort fernhielt. Ich habe Sie gesehen …
    Ein Mensch, der ein schlechtes Gewissen hatte, würde das als Warnung auffassen und es nicht riskieren, erneut dorthin zu gehen.
    An Hensley dagegen nagte die Sorge. Was hatte der Schreiber dieser Nachricht gefunden? Und warum hatte er nach all der Zeit dort herumgeschnüffelt? Und was noch schlimmer war - was hatte er getan, als er das Wäldchen für sich allein gehabt hatte?
    Der Constable traf jede erdenkliche Vorsichtsmaßnahme. Er fuhr aus Dudlington heraus, radelte drei Meilen weit nach Norden und stellte sein Fahrrad hinter der steinernen Mauer ab, die sich am Straßenrand entlangzog. Dann lief er eine weitere Meile zu Fuß, bevor er zu dem Wäldchen umkehrte.
    Es war eine ziemlich große Dummheit gewesen, dass er sein Fahrrad beim letzten Mal an einem Ort abgestellt hatte, wo es von der Hauptstraße aus für jeden zu sehen war. Er war sicher, sich genau damit verraten zu haben.
    Das Wäldchen lag im Norden von Dudlington, jenseits der Church Lane, in einer Senke, wo die Dower Fields endeten. Diesmal achtete Hensley darauf, dass die Bäume zwischen ihm und dem Dorf waren und er das Wäldchen als Sichtschutz benutzen konnte. Als er sich ihm jetzt näherte, fragte er sich, was dieser eine dunkle Fleck inmitten einer weit offenen Landschaft aus Feld und Flur wohl an sich haben mochte. Es musste doch einen Grund dafür geben, dass dieses Wäldchen so heimtückisch wirkte.
    Warum hatte die Familie Harkness, in deren Besitz dieses Land seit Generationen war, das Wäldchen nicht schon vor Jahrhunderten gefällt und den Boden umgepflügt? An ihrer Stelle hätte er das binnen vierzehn Tagen getan.
    London hatte ihn abgehärtet; er hatte den Tod in vielen Gestalten
gesehen. Meine Güte, er war Polizist und ließ sich von irgendwelchem Unsinn über alte Knochen so schnell nicht aus der Fassung bringen. Es war nichts weiter als ein kleines Gehölz und bei dem Gestrüpp handelte es sich lediglich um Dornensträucher, Ranken und abgebrochene Zweige.
    Aber die Landbevölkerung war nun mal ein abergläubisches Pack. Von Anfang an waren es die Geschichten der Leute gewesen, die Frith’s Wood zu etwas Besonderem hochstilisiert hatten. Im Lauf der Jahrhunderte waren diese Erzählungen vom Vater an den Sohn weitergereicht worden. »Geh nicht dorthin - da wandeln die Toten. Sie finden keine Ruhe, weil ihnen keine Zeit fürs Gebet geblieben ist, bevor sie erschlagen wurden. Halte dich fern von dem Wäldchen, wenn du weißt, was gut für dich ist.«
    Trotz seiner Großmäuligkeit schien sein Herz immer heftiger zu schlagen, je näher er den Bäumen kam. Aber die Nachricht, die er erhalten hatte, beruhte schließlich nicht auf reiner Einbildung. Geister griffen nicht zu Feder und Papier.
    Aber was war, wenn er in eine geschickt gestellte Falle

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