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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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ihm gerade etwas Linderndes gegeben, damit er schlafen kann.«
    »Ich werde nicht mit ihm reden«, versprach Rutledge.
    Als er leise an der Reihe von Betten entlangging, begleitete ihn überall Schnarchen. Er fragte sich unwillkürlich, wie jemand bei diesem Lärm schlafen konnte.
    Als er Hensleys Bett erreicht hatte, blieb er stehen und sah auf den Mann, der ausgestreckt dalag, halb auf dem Rücken, halb auf der Seite. Sogar im schwachen Schein der einzigen Lampe auf dem Tisch der Stationsschwester war zu erkennen, dass sein Gesicht von Schmerzen verzogen war, und Hensley schnarchte nicht. Er schlief tiefer als die anderen, einen Schlaf, der durch Medikamente herbeigeführt worden war. Die Finger einer Hand waren gekrümmt, als hätte Hensley sie zur Faust geballt, während ihn die Bewusstlosigkeit übermannte.
    Nach einem Moment wandte Rutledge sich ab und machte sich auf den Rückweg.
    Die Stationsschwester sagte leise: »Sie sehen sehr müde aus, Inspector. Ich hoffe, Sie müssen heute Nacht nicht mehr weit fahren.«
    »Zum Glück nicht.« Es war nicht die mollige Schwester, die bei seinem ersten Besuch wütend auf ihn gewesen war, sondern eine wesentlich jüngere Frau mit gütigen Augen und einem
netten Lächeln. Ein Gesicht, das man gern morgens beim Aufwachen als Erstes sah, wenn man krank war oder starke Schmerzen hatte.
    Schon während er das dachte, wurde ihm klar, wie müde er tatsächlich war.
    Als er Hensleys Haus in Dudlington erreicht hatte, war die Morgendämmerung näher als Mitternacht, und er fühlte sich matt bis in die Knochen. Dennoch lief er mit einer Taschenlampe in der Hand durch sämtliche Zimmer und durchsuchte sie gründlich.
    In einem kleinen Winkel seines Bewusstseins hatte er fast damit gerechnet, dass die Patronenhülse, die er in Chelsea zurückgelassen hatte, bereits hier auf ihn warten würde.

14.
    Der kalte Regen war noch kälterem Sonnenschein gewichen, und Rutledge spürte eine Steifheit in seinem Körper, die von tiefem Schlaf in einem ungeheizten Zimmer herrührte.
    Hamish, der offenbar schon wach war, sagte verdrossen: »Im Oaks wäre es behaglicher.«
    »Das ist durchaus anzunehmen.« Rutledge schwang seine Füße über die Bettkante und sah auf die Uhr. Er hatte das Frühstück verpasst. Mrs. Melford würde wütend auf ihn sein, da er bereits gestern die Mahlzeiten hatte ausfallen lassen.
    In dem Moment hörte er sie vom unteren Ende der Treppe rufen und erinnerte sich wieder daran, dass es keinen Schlüssel für die Haustür gab.
    »Inspector! Ihre Spiegeleier werden kalt, und länger als fünf Minuten halte ich sie nicht mehr warm.«
    Die Tür wurde zugeknallt, und Rutledge holte sein Rasierzeug.
    Es lief darauf hinaus, dass er gut sieben Minuten zu spät kam. Mrs. Melford sah ihn finster an, als er ihr Esszimmer betrat, aber sie servierte ihm das Frühstück und er stellte fest, dass er hungrig war.
    »Gibt es Neuigkeiten über den Constable?«, fragte sie, als ginge sie davon aus, dass er den gestrigen Tag in Northampton verbracht hatte.
    »Er ruht sich aus.«
    Sie ging hinaus, um den Toastständer zu holen, und stellte ihn mit einem Topf Marmelade vor ihm ab.

    »Sind Sie auf der Suche nach demjenigen, der auf ihn geschossen hat, einen Schritt weiter gekommen?«
    »Bisher noch nicht.«
    »Ich muss schon sagen, wir haben alle damit gerechnet, dass der Yard tüchtiger ist.«
    »Die Arbeit des Yard«, gab er ihr schroff zur Antwort, »stützt sich auf Informationen. Und die sind in Dudlington offenbar nicht zu haben.«
    Sie verschwand wieder und kam mit angewärmter Milch zurück. Er ertappte sich bei dem Gedanken, wie anders die frühen Vormittage doch in Westmorland gewesen waren, wo ihm die Küche wie eine Oase der Wärme und der Heiterkeit vorgekommen war. War das, was er gerade erst vor drei Wochen dort empfunden hatte, Liebe gewesen - oder nur die Reaktion eines einsamen Mannes auf etwas Seltenes und Kostbares: zwanglosen Umgang in einer wohltuenden Atmosphäre von Kameradschaft? Jetzt würde er wahrscheinlich nie eine Antwort darauf erhalten. Der Brief von Elizabeth Fraser war klar und deutlich gewesen. Komm nicht zurück …
    Hamish war unruhig und drängte ihn, sein Frühstück zu beenden und die Vergangenheit ruhen zu lassen, damit sie keinen Schaden anrichten konnte. »Du kannst niemanden heiraten. Es ist unklug.«
    Mrs. Melford sagte gerade: »Alle in Dudlington haben sich gefragt, warum Sie ausgerechnet Grace Letteridge verhört haben.«
    Er wurde mit einem

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