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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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hätte. Commander Farnum dagegen war bei der Königlichen Marine. Er hätte sie zweifellos erkannt und sich
sogar gefragt, wie sie dorthin gekommen sein könnte, aber er hätte sie nicht aufgehoben und an sich genommen.«
    »Ja, das habe ich mir auch schon überlegt.«
    Mrs. Channing sah ihm einen Moment lang forschend ins Gesicht. »Aber Sie waren in den Schützengräben, hat man mir berichtet. Ich vermute, die Patronenhülse muss Sie in diese Zeit zurückversetzt und Erinnerungen an das Gemetzel wach gerufen haben. Bestimmt haben Sie sich gefragt, warum sich der Krieg einem friedlichen London wieder einmal störend aufgedrängt hat.«
    Beinah ein Volltreffer. Er schwieg, weil sie der Wahrheit so nahe gekommen war.
    »Haben Sie weitere Hülsen gefunden?«
    Rutledge stand dicht davor, es zu bestreiten, doch dann antwortete er ihr wahrheitsgemäß. Falls diese Frau etwas mit den Patronenhülsen zu tun hatte, kannte sie die Antwort bereits. Und wenn sie nichts damit zu tun hatte, würde es nicht schaden, die Wahrheit zu sagen.
    »Drei weitere Male.«
    Hamish legte sich mächtig ins Zeug, um Rutledges Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er warnte ihn, behutsam vorzugehen.
    »Ja, dadurch ist Ihnen nachträglich klar geworden, dass diese erste Hülse tatsächlich für Sie bestimmt war. Aber warum sind Sie hierhergekommen, wenn Sie die Antwort auf diese Frage schon kannten? Was bringt Sie auf den Gedanken, ich könnte diese Hülsen erkennen?«
    »Ein Polizist lässt sich immer bestätigen, dass seine Informationen korrekt sind. Sie waren die einzige Person auf Maryannes Party, die ich nicht kannte.«
    »Ich verstehe.« Sie verarbeitete diese Aussage.
    »Sie halten zur Belustigung Ihrer Freunde Séancen ab. Was täten Sie, wenn Sie bei einer dieser Séancen die Toten auferstehen ließen?«

    »Ich wäre fassungslos, Inspector. Es ist nicht meine Absicht, und ich besitze diesbezüglich, Gott sei Dank, kein - Talent. Was ich dagegen besitze, ist ein gutes Gespür dafür, was die Leute unterhaltsam finden. Sowie eine der Damen, die bei Maryanne eingeladen waren, glaubte, unter den Spaniels des Königs sei ihr eigenes geliebtes Hündchen, habe ich sorgsam darauf geachtet, jeden weiteren Schritt in diese Richtung zu meiden. Stattdessen hatten wir eine ziemlich interessante Diskussion darüber, ob Charles II. tatsächlich auf diese Eiche geklettert ist oder ob es sich dabei lediglich um eine Legende handelt. Anschließend haben wir ein paar Worte mit Lord Nelson gewechselt, um Commander Farnum zu amüsieren. Sie hatten wirklich nichts zu befürchten.«
    »Was bringt Sie auf den Gedanken, ich hätte mich gefürchtet?«
    »Es hat sich in Ihrer gepressten Stimme und in Ihren Augen gezeigt. Ich hatte nicht die Absicht, Ihre Geheimnisse preiszugeben. Ich hätte nicht daran gerührt. Aber das konnten Sie natürlich nicht wissen. Ich hätte nicht sagen können, ob das an dem natürlichen Misstrauen eines Polizisten gegenüber jedem oder an Ihrer eigenen Verwundbarkeit lag, aber ich würde meinen, es war Letzteres.«
    »Meine Geheimnisse?« Er formulierte es als Frage. Hamish gebärdete sich lautstark.
    »Ah, endlich kommen wir auf den wahren Grund zu sprechen, der Sie heute zu mir geführt hat. Ich habe Sie vor dem Silvesterabend schon einmal gesehen, falls es das ist, was Ihnen Sorgen bereitet. Aber das hätte ich niemals erwähnt, es sei denn, Sie hätten es als Erster angesprochen. Es war in einer Unfallstation in Frankreich, weit hinter den Linien, aber doch nah genug, um die schlimmsten Fälle aufzunehmen. Sie waren dorthin gekommen, um sich nach einem jungen Soldaten zu erkundigen, und als der Arzt Ihnen gesagt hat, er läge im Sterben, obwohl wir alles für ihn getan hatten, haben Sie bis zum Ende bei ihm gesessen. Das habe ich nie vergessen.«

    Er brauchte nicht zu fragen, wer der Mann war. Er erinnerte sich lebhaft an ihn. Sergeant Williams, der auf dem Schlachtfeld hätte sterben sollen, aber aus unerfindlichen Gründen lange genug durchhielt, um ins Lazarett gebracht zu werden. Maschinengewehrfeuer hatte ihn in beide Beine getroffen. An jenem Abend hatte Rutledge einen Brief an seine Eltern schreiben müssen. Ihr Sohn war ein guter und tapferer Soldat. Es war eine Ehre, gemeinsam mit ihm zu dienen, und Sie können stolz auf seinen Mut unter Beschuss und auf seine Rücksicht gegenüber seinen Männern sein … In dem Brief hatte Rutledge mit keinem Wort angeschnitten, was er über Williams wusste - Kleinigkeiten, wie zum

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